Beitrag falsch wiedergegeben - Angebliche WEF-Empfehlung zu Chip-Implantaten ist frei erfunden

Falschbehauptungen über Kinder verbreiten sich oft besonders schnell. Derzeit wird in sozialen Netzwerken behauptet, das vom Unternehmer Klaus Schwab in Davos gegründete Weltwirtschaftsforum (World Economic Forum/WEF) habe empfohlen, Kindern Mikrochips zu implantieren. Das WEF gilt Anhängern von Verschwörungsmythen als eine Art Epizentrum des Bösen. Was ist dran an der Behauptung?

Bewertung

Ein Debattenbeitrag auf der Internetseite des WEF wird in Blogs fehlinterpretiert. Das Weltwirtschaftsforum empfiehlt keine Mikrochip-Implantate für Kinder.

Fakten

In Facebook-Posts wird der Screenshot eines österreichischen Blog-Artikels mit der Überschrift «WEF empfiehlt Microchip-Implantate für Kinder» vom 21. August 2022 geteilt. Darin nimmt der Autor Bezug auf einen Text, der mit Datum vom 16. August 2022 auf der Webseite des Weltwirtschaftsforums in der Rubrik «Agenda» veröffentlicht wurde.

Diese Rubrik enthält nach Angaben des WEF derzeit mehr als 45 000 oft kontroverse Beiträge zu unterschiedlichen Themen. Unter dem fraglichem Artikel findet sich der Hinweis: «Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten sind die des Autors und nicht die des Weltwirtschaftsforums.» Dies bedeutet, dass es sich hier um einen Diskussionsbeitrag, aber nicht um eine Ansicht, Empfehlung oder gar eine Forderung des Weltwirtschaftsforums handelt.

In der inzwischen aktualisierten Fassung weist das WEF zu Beginn zudem darauf hin, dass der Artikel «auf Websites, die falsche Informationen verbreiten, absichtlich falsch dargestellt» wird. Unter der Überschrift wurde das Label «Opinion» (Meinung) ergänzt.

Der Artikel wurde von Kathleen Philips verfasst. Die Autorin ist, wie auch auf der Webseite dargelegt wird, die für Forschung und Entwicklung zuständige Vizepräsidentin der in Eindhoven (Niederlande) ansässigen Niederlassung des Forschungszentrums Imec. Imec ist laut eigenen Angaben ein 1984 in der belgischen Universitätsstadt Löwen (Leuven) gegründetes Forschungszentrum für Nanoelektronik und Digitaltechnologie.

In dem Artikel befasst sich Philips sowohl mit Hilfsmitteln wie VR-Brillen als auch mit ethischen Problemen beispielsweise durch Implantationen von Mikrochips. Sie verweist darauf, dass Brillen und Prothesen, aber auch Implantate zur Wiederherstellung der Hörfähigkeit ebenso wie Herzschrittmacher bereits Teil des täglichen Lebens seien. Denkbar sei mittlerweile etwa, Kindern, die sich im Unterricht schlecht konzentrieren könnten, beispielsweise durch Ausblenden von «überflüssigen Reizen» per VR-Brille am normalen Unterricht teilhaben zu lassen.

Eine ganze Reihe von Krankheiten könnten durch Eingriffe ins Gehirn möglicherweise gemildert oder geheilt werden - von Alzheimer und Parkinson bis hin zu ADHS oder Depressionen. «Wenn der Gedanke an einen Chip in Ihrem Körper Sie erschaudern lässt, denken Sie an all die Arzneimittel, die Sie ohne zu fragen einnehmen», schreibt Philips.

In dem TKP-Blog wird behauptet, das Weltwirtschaftsforum habe es als «solide, rationale Maßnahme» bezeichnet, Kindern einen Ortungschip implantieren zu lassen. Dieses Zitat stammt jedoch nicht vom WEF, sondern aus dem Philips-Text - und ist sowohl verfälscht als auch aus dem Kontext gerissen.

Tatsächlich äußert sich die Imec-Autorin zurückhaltender. Sie schreibt: «Die Grenzen für Implantate werden eher durch ethische Argumente als durch wissenschaftliche Kapazitäten gesetzt. Sollte man beispielsweise seinem Kind einen Ortungschip implantieren? Es gibt solide, rationale Gründe dafür, wie etwa Sicherheit. Würden Sie es tatsächlich tun? Ist das ein Schritt zu weit?»

In dem Debattenbeitrag werden also ethische Fragen zu neuen Technologien gestellt. Laut TKP-Blog ist zwar bereits klar, von wem diese Fragen beantwortet werden: «Das übernimmt dann selbstverständlich das WEF für die gesamte Gesellschaft.» In dem Text von Kathleen Philips steht jedoch nichts dergleichen. Stattdessen verweist sie unter anderem auf ein Papier des Europarates zum Thema.

(Stand 24.8.2022)

® 2022 nwna.de Mit Quellen von dpa-Fakten Check Team.

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