Die Bedrohung ist real und wächst: Deepfake-Technologie, die es ermöglicht, Gesichter täuschend echt in Videos und Bilder zu montieren, wird zunehmend für die Erstellung nicht-konsensueller pornografischer Inhalte (Non-Consensual Intimate Imagery – NCII) missbraucht. Besonders perfide: Oft werden dafür private oder öffentlich zugängliche Fotos und Videos der Betroffenen verwendet. Dieser Artikel erklärt, was Deepfake-Pornos sind, wie du präventiv handeln kannst, um das Risiko zu minimieren, und welche Schritte du unternehmen kannst, wenn du selbst betroffen bist. Ein sachlicher Leitfaden für einen informierten und wehrhaften Umgang mit einer dunklen Seite der KI.
Die Vorstellung, dass das eigene Gesicht in einem pornografischen Video auftaucht, ohne dass man jemals darin mitgewirkt hat, ist für die meisten Menschen ein Albtraum. Für Betroffene von Deepfake-Pornos ist dies bittere Realität mit oft verheerenden psychischen, sozialen und beruflichen Folgen. Die Technologie dahinter wird immer zugänglicher und die Ergebnisse immer überzeugender, was die Prävention und Bekämpfung erschwert. Doch Untätigkeit ist keine Option. Wissen und proaktives Handeln sind der beste Schutz.
Was genau sind Deepfake-Pornos und wie funktioniert die Technologie (vereinfacht)?
„Deepfake“ setzt sich zusammen aus „Deep Learning“ (eine Methode des maschinellen Lernens) und „Fake“ (Fälschung). Im Kontext von Pornografie bedeutet dies meist, dass das Gesicht einer Person mittels KI auf den Körper einer anderen Person in einem bereits existierenden pornografischen Video oder Bild montiert wird. Die Algorithmen, oft basierend auf Generative Adversarial Networks (GANs) oder neueren Diffusionsmodellen, werden mit großen Mengen an Bild- und Videomaterial der Zielperson sowie des Quellmaterials trainiert.
Ein GAN besteht vereinfacht gesagt aus zwei neuronalen Netzen: einem Generator, der versucht, möglichst realistische Fälschungen zu erstellen, und einem Diskriminator, der versucht, diese Fälschungen von echtem Material zu unterscheiden. Beide Netze lernen voneinander und werden so immer besser – der Generator im Fälschen, der Diskriminator im Erkennen. Diffusionsmodelle lernen, Bilder schrittweise zu „verrauschen“ und diesen Prozess dann umzukehren, um aus Rauschen neue Bilder zu generieren, die bestimmten Vorgaben (z.B. einem Gesicht) entsprechen. Je mehr hochwertiges Ausgangsmaterial (Fotos, Videos) der Zielperson verfügbar ist, desto überzeugender kann das Ergebnis ausfallen.
Die Erstellung solcher Inhalte ist eine Form der digitalen sexualisierten Gewalt und schwerwiegender Persönlichkeitsrechtsverletzung. Es ist wichtig zu betonen, dass die Betroffenen hier Opfer einer Straftat sind und keinerlei Schuld tragen.
Präventive Maßnahmen: Die erste und wichtigste Verteidigungslinie
Absolute Sicherheit gibt es im digitalen Raum nicht, aber du kannst das Risiko, Opfer von Deepfake-Pornos zu werden, durch bewusstes Handeln deutlich reduzieren. Je weniger frei verfügbares Bild- und Videomaterial von dir existiert, desto schwieriger wird es für potenzielle Täter.
- Digitalen Fußabdruck kritisch prüfen und minimieren:
- Überlege genau, welche Bilder und Videos du von dir online stellst und wer darauf Zugriff hat. Gilt für Social Media, Dating-Apps, Foren, Cloud-Speicher etc.
- Führe regelmäßig eine „Ego-Google-Suche“ durch, um zu sehen, welche Informationen und Bilder von dir öffentlich auffindbar sind. Beantrage gegebenenfalls die Löschung bei den Seitenbetreibern oder über Suchmaschinen (z.B. Googles Tool zum Entfernen von Inhalten).
- Lösche alte, nicht mehr genutzte Online-Profile und Accounts, die möglicherweise noch Bilder von dir enthalten.
- Social Media Privatsphäre-Einstellungen konsequent nutzen:
- Stelle deine Profile auf „privat“, sodass nur bestätigte Freunde deine Inhalte sehen können. Dies gilt insbesondere für Plattformen wie Instagram, Facebook oder TikTok. Überprüfe die Einstellungen regelmäßig, da Plattformen sie ändern können.
- Sei sehr restriktiv bei Freundschaftsanfragen von unbekannten Personen.
- Deaktiviere Funktionen zur Gesichtserkennung auf Plattformen, falls angeboten und von dir nicht gewünscht. Viele Plattformen bieten Informationen dazu in ihren Privatsphäre-Zentren (Beispiel Meta).
- Vorsicht beim Teilen von Bildern und Videos – auch im privaten Kreis:
- Selbst wenn du Bilder nur mit vermeintlich vertrauten Personen teilst (z.B. über Messenger), bedenke, dass diese weitergeleitet, gehackt oder durch verlorene Geräte in falsche Hände geraten könnten.
- Vermeide das Teilen von sehr freizügigem oder intimem Material, wenn du dir der Risiken nicht absolut bewusst bist und dem Empfänger nicht zu 100% vertraust. Einmal versendet, verlierst du oft die Kontrolle.
- Nutze bei sensiblen Inhalten gegebenenfalls Messenger mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und Selbstzerstörungsfunktion für Nachrichten.
- Starke, einzigartige Passwörter und Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA):
- Schütze alle deine Online-Konten (E-Mail, Social Media, Cloud) mit starken, für jeden Dienst einzigartigen Passwörtern. Nutze einen Passwort-Manager.
- Aktiviere wo immer möglich die Zwei-Faktor-Authentifizierung. Dies bietet eine zusätzliche Sicherheitsebene, selbst wenn dein Passwort kompromittiert wird. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bietet hierzu gute Erklärungen.
- Bildrechte und Lizenzen verstehen:
- Wenn du Bilder veröffentlichst (z.B. auf einer eigenen Webseite, als Fotograf), überlege, welche Lizenzen du vergibst. Creative-Commons-Lizenzen sind gut für die Verbreitung, können aber auch die Nutzung durch Dritte (potenziell auch für KI-Training) erleichtern, wenn nicht explizit eingeschränkt.
- Aufklärung im Familien- und Freundeskreis (besonders für jüngere Nutzer):
- Sprich offen mit Kindern, Jugendlichen, aber auch mit älteren, vielleicht weniger technikaffinen Verwandten über die Gefahren von Deepfakes und die Wichtigkeit von Privatsphäre-Einstellungen und einem bedachten Umgang mit eigenen Bildern. Webseiten wie klicksafe.de bieten hierfür ausgezeichnetes Material.
Technische Schutzmechanismen: Begrenzte Helfer, aber wissenswert
Es gibt auch technische Ansätze, um die unbefugte Nutzung von Bildern zu erschweren, deren Wirksamkeit gegen hochentwickelte Deepfake-Ersteller aber begrenzt sein kann:
- Digitale Wasserzeichen: Sichtbare oder unsichtbare Wasserzeichen können in Bilder oder Videos eingebettet werden, um die Urheberschaft zu kennzeichnen oder die Bearbeitung zu erschweren. Gegen entschlossene Täter bieten sie oft keinen hundertprozentigen Schutz, können aber bei der späteren Identifizierung von Originalmaterial helfen.
- Tools zur Erkennung von Deepfakes: Es gibt Software und Online-Tools, die versuchen, Deepfakes anhand von Artefakten (z.B. unnatürliches Blinzeln, seltsame Kanten, flackernde Bildbereiche) zu erkennen. Die TU Berlin und andere Forschungseinrichtungen arbeiten an solchen Methoden. Allerdings entwickeln sich auch die Fälschungstechnologien rasant weiter, sodass Erkennungstools oft hinterherhinken. Sie sind eher ein Indiz als ein definitiver Beweis.
- Proaktive Störung von KI-Modellen: Projekte wie Glaze oder Nightshade (primär für Künstler gedacht) versuchen, Bilder so zu modifizieren („cloaking“), dass sie für das Training von KI-Modellen unbrauchbar werden oder diese fehlleiten. Ob ähnliche Ansätze für private Fotos praktikabel und wirksam sind, ist noch unklar.
Wenn es passiert ist: Konkrete Schritte zur Gegenwehr und wo du Hilfe findest
Solltest du entdecken, dass Deepfake-Pornos mit deinen Bildern oder Videos existieren, ist das ein Schock. Wichtig ist, schnell und überlegt zu handeln:
- Beweise sichern (Screenshot-िग):
- Dokumentiere alles: Erstelle Screenshots oder Bildschirmaufnahmen von den Inhalten, den Webseiten/Plattformen, auf denen sie erscheinen, den Profilen der Verbreiter und den URLs. Notiere Datum und Uhrzeit. Diese Beweise sind wichtig für Meldungen und eventuelle rechtliche Schritte. Die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes gibt Tipps zur Beweissicherung.
- Inhalte bei Plattformen melden (Takedown):
- Die meisten sozialen Netzwerke, Pornografie-Plattformen und Hosting-Anbieter haben Meldefunktionen für illegale Inhalte, NCII oder Urheberrechtsverletzungen. Nutze diese konsequent. Beschreibe den Sachverhalt klar und belege deine Identität (oft notwendig, um zu zeigen, dass du die abgebildete Person bist).
- Sei hartnäckig, da Reaktionen manchmal dauern oder automatisiert sind.
- Rechtliche Schritte einleiten:
- Erstatte Anzeige bei der Polizei. Deepfake-Pornos können mehrere Straftatbestände erfüllen (siehe unten). Jede Polizeidienststelle ist verpflichtet, Anzeigen aufzunehmen. Es gibt auch Onlinewachen der Polizeien der Länder.
- Konsultiere einen Rechtsanwalt, der auf Medienrecht, Persönlichkeitsrecht oder IT-Recht spezialisiert ist. Er kann dich zu zivilrechtlichen Schritten (Unterlassung, Schadensersatz, Schmerzensgeld) beraten.
- Hilfe und Unterstützung suchen (Du bist nicht allein!):
- Der psychische Druck ist enorm. Sprich mit Vertrauenspersonen.
- Professionelle Beratungsstellen bieten Unterstützung. Gute Anlaufstellen in Deutschland sind:
- HateAid: Bietet kostenlose Beratung und Unterstützung für Betroffene von digitaler Gewalt.
- WEISSER RING e.V.: Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer.
- Frauenberatungsstellen und Notrufe bei sexualisierter Gewalt.
- Nummer gegen Kummer (für jüngere Betroffene und deren Eltern).
- Suchergebnisse beeinflussen (optional, fortgeschritten): In manchen Fällen kann professionelles Online Reputation Management helfen, negative Suchergebnisse durch positive oder neutrale Inhalte zu verdrängen. Dies ist aber oft kostspielig.
Die rechtliche Lage in Deutschland und der EU: Deine Rechte
Die Erstellung und Verbreitung von Deepfake-Pornos ohne Einwilligung der abgebildeten Person ist in Deutschland und der EU illegal und kann mehrere Gesetze verletzen:
- Recht am eigenen Bild (§§ 22, 23 KunstUrhG): Bildnisse dürfen grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.
- Allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG): Schützt die Intimsphäre, Ehre und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung.
- Strafrechtliche Tatbestände: Je nach Ausgestaltung können § 184b StGB (Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften – wenn Minderjährige betroffen sind oder so dargestellt werden), § 201a StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen), § 185 ff. StGB (Beleidigung, Üble Nachrede, Verleumdung) relevant sein. Die Diskussion um einen spezifischen Straftatbestand für Deepfakes ist im Gange.
- Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG): Verpflichtet große soziale Netzwerke, „offensichtlich rechtswidrige Inhalte“ schnell zu entfernen.
- EU Digital Services Act (DSA): Der Digital Services Act der EU stärkt die Pflichten von Plattformen im Umgang mit illegalen Inhalten und erfordert mehr Transparenz. Er bietet Betroffenen EU-weit Mechanismen zur Meldung und Entfernung.
- EU AI Act: Der AI Act der EU klassifiziert KI-Systeme nach Risiken. Deepfake-Generatoren, die zur Erstellung von NCII genutzt werden können, fallen potenziell unter Hochrisiko-Anwendungen oder erfordern zumindest Transparenzpflichten (Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten). Die genaue Ausgestaltung und Durchsetzung (Stand Mai 2025) ist hier entscheidend.
Fazit: Wachsamkeit, Prävention und Solidarität im digitalen Zeitalter
Deepfake-Pornos sind eine ernste Bedrohung, die jeden treffen kann, unabhängig von Alter oder Geschlecht. Ein Allheilmittel zum Schutz gibt es nicht. Die beste Strategie ist eine Kombination aus Prävention (daten sparsamer Umgang mit eigenen Bildern und Videos, maximale Privatsphäre-Einstellungen, sichere Accounts), technischer Vorsicht und dem Wissen um die eigenen Rechte und Hilfsmöglichkeiten im Ernstfall.
Es erfordert ein Umdenken im Umgang mit unserer digitalen Identität und eine ständige Wachsamkeit gegenüber neuen technologischen Entwicklungen. Für jüngere Nutzer ist eine frühe und kontinuierliche Medienkompetenzerziehung unerlässlich. Für uns alle gilt: Wir müssen uns solidarisieren, Betroffene unterstützen und von Plattformen sowie der Politik ein konsequentes Vorgehen gegen die Ersteller und Verbreiter solcher Inhalte einfordern. Nur so können wir den digitalen Raum zu einem sichereren Ort machen und dem Missbrauch dieser mächtigen KI-Technologie Einhalt gebieten.