Bagdad/Washington (dpa) – Die Hälfte der heutigen irakischen Bevölkerung war noch nicht geboren, als vor 20 Jahren der Krieg im Irak begann. Das Leben unter der autoritären Herrschaft von Saddam Hussein, der dann von einer internationalen Koalition unter Führung der USA gestürzt wurde, ist nur aus Erzählungen bekannt. Die Folgen der amerikanischen Invasion prägen das Land bis heute.
Den USA ist es nicht gelungen, im Irak Stabilität oder auch nur eine funktionierende Demokratie herzustellen. Wahlen im Land ändern wenig an den tatsächlichen Kräfteverhältnissen. Das erinnert an die Situation in Afghanistan: Auch dort suchten die Amerikaner die politische Transformation – und scheiterten. Nach dem chaotischen Abzug der NATO-geführten Truppen übernahmen die Taliban dort wieder die Macht.
Trotz der langjährigen US-Präsenz im Irak ist die Lage alles andere als rosig. Die Menschen sind frustriert über die weit verbreitete Korruption und schlechte Regierungsführung. Obwohl der Irak eines der reichsten Ölländer der Welt ist, fällt der Strom aus. Immer wieder kommt es zu Massenprotesten gegen die Führung und ihre klientelistische Politik. Wohl auch deshalb stellen Iraker eine große Gruppe von Schutz- und Asylsuchenden in Deutschland dar.
Die Mehrheit der Muslime im Irak sind Schiiten
Die US-Militäroperation veränderte das Kräfteverhältnis im Irak – und in der gesamten Region. Nutznießer war das schiitische Nachbarland Iran, das mit Hilfe von Milizen großen Einfluss im Irak erlangte. Diese Milizen stehen auch im Verdacht, Stellungen der US-geführten Koalition angegriffen zu haben, die sie aus dem Land vertreiben will.
Schiitische Muslime bilden die Mehrheit im Irak. In verschiedene Lager gespalten dominieren sie seit der amerikanischen Invasion die Politik. Für viele zuvor privilegierte Sunniten waren die Umkehrungen frustrierend. In den Reihen des Terrornetzwerks Islamischer Staat (IS), das 2014 weite Teile des Landes unter seine Kontrolle brachte, befanden sich viele Sunniten, die zuvor in Saddams Armee gedient hatten. Als die USA nach seinem Sturz das Militär auflösten, fühlten sich die Soldaten gedemütigt. Auch der IS nutzte das Chaos nach der US-Invasion, um im Land zu expandieren.
der Kampf gegen den IS
US-Truppen zogen 2011 zunächst aus dem Irak ab, kehrten aber fast drei Jahre später zurück, um lokale Sicherheitskräfte im Kampf gegen den IS zu unterstützen.
Terroristen haben auch Tausende von Mitgliedern der jesidischen Religionsgemeinschaft im Irak getötet, entführt und versklavt. Seitdem lebt eine gewisse Anzahl vertriebener Jesiden in Flüchtlingslagern.
Der Kommandeur des für die Region zuständigen US-Militärkommandos (Centcom) betonte kürzlich, das US-Militär habe mit dieser Operation den IS geschwächt. Eine fortgesetzte Truppenpräsenz ist entscheidend für die Aufrechterhaltung der Sicherheit in der Region und den Schutz der Vereinigten Staaten. Trotz der militärischen Niederlage führen IS-Zellen weiterhin Anschläge in der Region und darüber hinaus durch. Einige Experten befürchten, dass der IS wieder auftauchen könnte, wenn sich die US-Truppen schließlich aus dem Irak zurückziehen und einen noch größeren Flüchtlingsstrom nach Europa auslösen würden.
Heute bildet das US-Militär hauptsächlich die irakische Armee aus. Etwa 2.500 amerikanische Soldaten sind noch im Land stationiert. Der begrenzte Einsatz findet in der amerikanischen Bevölkerung kaum Anhänger – politisch spaltet er sich aber nicht mehr.
„Amerikanische Militäroperation von vielen Fehlschlägen geprägt“
Am 20. März 2003 marschierten US-Truppen im Irak ein. Dann behauptete US-Außenminister Colin Powell, Saddam Hussein besitze Massenvernichtungswaffen. Sie wurden jedoch nie gefunden. Hunderttausende Menschen starben im Krieg.
„Der amerikanische Militäreinsatz im Irak war in den ersten Jahren von zahlreichen Fehlschlägen geprägt“, sagt der Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger der Deutschen Presse-Agentur. Die USA haben die gesellschaftliche Lage und den Zustand des Landes völlig falsch eingeschätzt. Allerdings lassen sich nicht alle aktuellen Probleme im Irak mit den Fehlern der USA in Verbindung bringen, betont der Wissenschaftler von der Universität Wien, der derzeit Gastprofessor in Erbil ist. Der Irak ist heute ein sichereres Land als vor der amerikanischen Mission. Auch sei es laut Schmidinger „gut vorstellbar, dass die US-Truppen hier wesentlich geordneter abziehen als aus Afghanistan“.
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