Wladimir Putin nimmt aus dem Kontrollzentrum des Kreml an einer Videokonferenz teil. Russlands hybride Kriegsführung zielt insbesondere auf Deutschland ab. Arndt Freytag von Loringhoven, ehemaliger BND-Vizepräsident und Autor des Buches „Putins Angriff auf Deutschland – Desinformation, Propaganda, Cyberattacken“, erläutert die Gründe und Maßnahmen zur Abwehr.
Der Kreml betrachtet Deutschland als primäres Ziel seiner Desinformationskampagnen. Laut Freytag von Loringhoven hat Sergej Kirijenko, Putins rechte Hand im Kreml, Mitte 2022 Deutschland als Hauptziel festgelegt. Diese Einschätzung wurde durch neue Erkenntnisse des US-Justizministeriums und Datenleaks bestätigt.
Der Ukrainekrieg hat die russischen Bemühungen verstärkt, die deutsche Politik und Öffentlichkeit zu beeinflussen. Ziel ist es, den Rückhalt für die Ukraine zu schwächen und extremistische Ränder zu stärken. Deutschland wird als zentrale Macht in der EU und NATO angesehen, aber auch als potenziell verletzlich.
Die Schwächen Deutschlands
Freytag von Loringhoven kritisiert u.a. im Spiegel.de Interview, die unzureichende Umsetzung der „Zeitenwende“-Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz. Trotz einer anfänglich klaren Positionierung ist die Umsetzung nicht konsequent. Umfragen zeigen, dass der Rückhalt für eine harte Russlandpolitik nachgelassen hat.
Der Rückgang der Wahrnehmung Russlands als Bedrohung ist alarmierend. Anfang 2023 stand Russland noch auf Platz eins des Bedrohungsindex der Münchner Sicherheitskonferenz, mittlerweile auf Platz sieben. Diese Veränderung spiegelt eine schwindende Solidarität mit der Ukraine wider.
Die Effektivität russischer Einflusskampagnen ist schwer zu messen. Der Mueller-Report zur russischen Einflussnahme auf die US-Wahl 2016 konnte keine eindeutigen Ergebnisse liefern. Dennoch investiert Russland jährlich Milliarden in Desinformation und geht davon aus, dass diese Wirkung zeigt.
Desinformation wirkt oft schleichend, indem sie Misstrauen gegenüber dem Staat und den Medien schürt. Dies könnte langfristig auch die Unterstützung für die Ukraine und den Wahlerfolg für extremistische Parteien beeinflussen.
Der Umgang mit Kritik und Meinungsfreiheit
Die Kampagne „Doppelgänger“ verstärkt bestehende Kritik an der Regierung, etwa bei den Bauernprotesten oder der Ukrainehilfe. Freytag von Loringhoven betont, dass Kritik an der Bundesregierung immer erlaubt sein muss, jedoch sollte die Verzerrung von Debatten durch technische Mittel bekämpft werden.
Es geht darum, die Manipulation der öffentlichen Meinung durch externe Akteure zu verhindern, ohne die Meinungsfreiheit einzuschränken.
Freytag von Loringhoven fordert eine wirksame Erkennung und Bekämpfung der Desinformation durch Online-Plattformen. Künstlich verbreitete Inhalte, die wie echte Nachrichten wirken, sollten nicht toleriert werden.
Internationale Ansätze, wie die Sperrung von X durch brasilianische Richter oder Ermittlungen gegen den Telegram-Gründer in Frankreich, könnten als Vorbild dienen. Der Digital Services Act in Europa bietet weitreichende Möglichkeiten zur Regulierung von Plattformen.
Viele Menschen unterschätzen die Bedrohung durch russische Desinformation. Freytag von Loringhoven sieht die hybride Kriegsführung Russlands als ernsthafte Bedrohung, die ernst genommen werden muss. Die deutsche Reaktion auf diese Bedrohung ist bislang unzureichend, und es besteht dringender Handlungsbedarf.
Die bisherigen Mittel zur Bekämpfung reichen nicht aus, und es wird empfohlen, sowohl offensive als auch defensive Maßnahmen zu ergreifen, um die Demokratie zu schützen.