„We Almost Lost Bochum – Die Geschichte von RAG“ ist weit mehr als eine typische Musikdokumentation – sie ist ein emotionaler Blick in die Vergangenheit des deutschen Hip-Hop, verpackt in einem Film, der genauso unterhält wie berührt. Julian Brimmers und Benjamin Westermann führen uns mit authentischem, fast schon nostalgischem Blick in die Welt der Ruhrpott AG (RAG), einer der einflussreichsten Rap-Crews der 90er Jahre, die – trotz ihres großen Potenzials – nie den Sprung in den Mainstream schaffte.
Einblicke in eine längst vergangene Ära
Die Doku zeichnet ein detailreiches Bild der 90er-Jahre-Hip-Hop-Szene im Ruhrgebiet. Wir erleben, wie aus kleinen, mit Leidenschaft gefüllten Jam-Sessions ein kulturelles Phänomen entstand – eine Zeit, in der Rap noch nicht kommerzialisiert, sondern vor allem gelebt wurde. Archivmaterial, seltene Mitschnitte von TV-Shows und private Super-8-Aufnahmen geben dem Film einen unvergleichlichen authentischen Charme. Dabei gelingt es den Filmemachern, die unterschiedlichen Facetten der Bandgeschichte zu beleuchten: von den ersten Erfolgen des Debütalbums „Unter Tage“ bis hin zu den persönlichen Schicksalsschlägen, die den Weg der einzelnen Bandmitglieder prägten.
Zwischen Freundschaft, Verlust und dem harten Pott
Der Film wirkt wie ein emotionales Tagebuch. Die Protagonisten – die überlebenden Mitglieder Aphroe, Pahel und DJ Mr. Wiz – blicken nicht nur stolz, sondern auch wehmütig auf eine bewegte Zeit zurück. Besonders berührend ist die ehrliche Auseinandersetzung mit dem tragischen Verlust von Michael Galla, einem Mitglied, das den Lauf der Geschichte nachhaltig beeinflusste. Dabei wird klar: Erfolg im Hip-Hop ist nicht nur Glamour und Beat – es ist vor allem auch ein Leben, das oft mit harten Realitäten, brüchigen Träumen und dem ständigen Kampf um den eigenen Platz in einer sich rapide verändernden Welt einhergeht.
Mehr als nur Rap – ein Spiegel der Gesellschaft
Was den Film besonders auszeichnet, ist seine Fähigkeit, weit über das Genre hinauszublicken. Die Dokumentation ist ein Porträt einer ganzen Generation, die zwischen den Schatten der Industriegeschichte und den bunten Träumen einer subkulturellen Bewegung gefangen war. Themen wie Alltagsrassismus, das Zerreißen zwischen lokaler Verbundenheit und der Suche nach neuen Lebenswegen sowie die Herausforderungen des Übergangs von einer kreativen Subkultur in eine bürgerliche Realität werden mit beeindruckender Offenheit thematisiert. Diese Tiefe macht „We Almost Lost Bochum“ nicht nur für Rap-Fans, sondern auch für Schüler*innen und Lehrkräfte zu einem spannenden Unterrichtsgegenstand – sei es im Geschichts-, Sozialkunde– oder Medienunterricht.
Humorvoll und menschlich
Trotz der ernsten Themen bewahrt der Film stets einen Hauch von Humor und Menschlichkeit. Die sympathischen Anekdoten und die lockeren, manchmal fast schon ironischen Zwischenbemerkungen der Protagonisten lassen uns schmunzeln und erinnern daran, dass hinter jeder großen Tragödie auch das Lachen nicht zu kurz kommen darf. Dies macht den Film zu einem gelungenen Mix aus Tiefgang und Leichtigkeit – ein cineastischer Beweis dafür, dass Kultur und Geschichte nicht trocken, sondern lebendig und mitreißend erzählt werden können.
Fazit
„We Almost Lost Bochum – Die Geschichte von RAG“ ist ein Film, der tief in die Wurzeln des deutschen Hip-Hop eintaucht und dabei eine bewegende Geschichte von Freundschaft, Verlust und der Kraft der Musik erzählt. Er bietet nicht nur historische Einblicke, sondern regt auch zu Diskussionen über gesellschaftliche Entwicklungen und persönliche Lebenswege an. Für alle, die sich für die kulturellen Schätze des Ruhrgebiets interessieren – und auch für alle, die lernen möchten, wie man aus dem Scheitern Kraft schöpft – ist dieser Film ein absolutes Muss.
Quellen: wealmostlostbochum.de, programmkino.de, deutschlandfunkkultur.de, film-rezensionen.de.