Rostock/Warnemünde (dpa) – Übermäßige Nährstoffaufnahme, Klimawandel, Meereserwärmung, Rückgang der Meereisbildung, starker Schiffsverkehr – die Ostsee ist vielen negativen Einflüssen ausgesetzt. „Die Ostsee steht eindeutig unter Stress“, sagt Meeresphysiker Oliver Zielinski zur aktuellen Lage. „Auch langfristig gesehen ist die Ostsee viel schlimmer als zu Beginn des letzten Jahrhunderts, also vor 120 Jahren. Bewölkter, nährstoffreicher, wärmer, unter mehr Druck.“ Dennoch sieht der neue Direktor des Ostseeforschungsinstituts Warnemünde (IOW) Grund zum Optimismus.
So stagniert beispielsweise die Bewölkung der Ostsee seit Ende der 1980er Jahre, wenn auch auf niedrigem Niveau. Dies ist eine positive Folge gesellschaftlicher und politischer Maßnahmen. Es gibt mehr Kläranlagen, die Freisetzung von Nährstoffen aus der Landwirtschaft und Waschphosphaten wurde reduziert. „Es gibt mir Hoffnung, weil es zeigt, dass menschliche Veränderungen etwas bewirken können.“
Laut Zielinski gibt es viele Daten zur Ostsee, aber es reiche nicht aus. Damit ist vor allem die Online-Überwachung biologischer und chemischer Prozesse im Meer gemeint. „Wir haben bereits viele Informationen, aber die Datendichte ist noch gering.“ Biologische und chemische Daten über das Meer werden in der Regel aus Wasserproben und Laboranalysen gewonnen. Aber auch um minütlich oder sekündlich Daten zu erhalten, etwa zu Ereignissen wie Stürmen oder Hitzewellen, ist Online-Messtechnik notwendig. „Wir brauchen mehr Beobachtungsdaten.“
„Wir müssen an den richtigen Stellen und zur richtigen Zeit messen. Es ist eine Illusion zu glauben, wir könnten die Ostsee mit einem Messnetz abdecken“, sagt Zielinski. Vielmehr geht es darum, konkrete Bereiche für effektive und aussagekräftige Messungen rund um Modellsimulationen zu definieren.
Der Wissenschaftler ist seit dem 1. März neuer Direktor des IOW und war zuvor Professor für Maritime Sensorik an der Universität Oldenburg. Dort gründete er das Center for Marine Sensors am Institute of Marine Chemistry and Biology (ICBM).
Das zur Leibniz-Gemeinschaft gehörende Warnemünder Institut untersucht derzeit als neuen Schwerpunkt küstennahe Flachwassergebiete („Sehwasserprozesse und Übergänge in die Ostsee“) mit einer Wassertiefe von etwa 10 bis 15 Metern. Interessanterweise sei es ein wissenschaftlich wenig erforschtes Gebiet, sagt der Leiter des IOW.
Der Zugang zum Gebiet von Land aus ist begrenzt, seewärts gibt es Tiefgangsbeschränkungen für Forschungsschiffe, und Küstengebiete sind auf Satellitenkarten oft verpixelt. – Die Peripherie ist ein bisschen wie unser blinder Fleck. Dieser Bereich hat für die Ostsee fast die gleiche Bedeutung wie der Zufluss von Wasser aus Flüssen. Für die neue Ausrichtung stellt das IOW 15 neue Mitarbeiter ein, überwiegend Wissenschaftler.
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