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Interview mit Rangwar Yogeshwar (Talk bei reddit)

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Ein sehr schönes, ausführliches Interview

Transkription Reddit Talk mit Ranga Yogeshwar über allesmögliche.
(06.03.2023, 19:00 – 20:05)

00:00 - Seewolf: Herzlich willkommen und guten Tag zum ersten r/de Reddit
Talk. Unser Gast heute ist Ranga Yogeshwar, wie schon im Thread vorher
angekündigt. Wir haben eure Fragen aufgeschrieben und werden sie ihm jetzt


stellen und ich hoffe, dass ihr Spaß dran habt. Ja, das Ganze wird ein bisschen
locker gehen. Wir werden locker anfangen und dann später zu den härteren
Fragen kommen, die auch gestellt wurden. Ich hoffe, ihr habt Spaß dran und ich

hoffe, man kann mich hören. Ja, ich glaube, das klingt so. Gut, ich darf einmal
kurz vorstellen.
Yogeshwar: Ich sag mal Hallo in die Runde. Sie können mich hören. Wenn Sie

mich hören, hören andere mich auch.
Seewolf: Ja, wir können Sie hören. Alles ist super. Die Qualität ist perfekt.
Yogeshwar: Ja, so gehört sich das doch, oder?

Seewolf: Richtig, das ist perfekt. Erstmal herzlich willkommen und vielen Dank,
dass Sie sich bereit erklärt haben, an dem Reddit Talk teilzunehmen und dass
wir Ihnen Fragen stellen dürfen. Sie sind Wissenschaftsjournalist. Ich glaube, da

brauche ich niemandem etwas Neues erzählen. Sie sind bekannt durch
verschiedenste Sendungen. Was haben wir? „Kopfball“. Damit fing es eigentlich
fernsehmäßig an, sozusagen.

Yogeshwar: Seit fast 40 Jahren bin ich in den Medien. Also wenn wir die jetzt
alle aufzählen, ist das vielleicht auch schon ein bisschen zu viel. Ich glaube, der
wichtige Punkt ist, reinzuspringen und einfach zu sagen, gut, es gibt den einen

oder die andere und die sagen, ich habe die und die Frage und darum geht es
am Ende, glaube ich, oder?
Seewolf: Genau, dann werden wir es auch direkt machen.

Yogeshwar: Yes.
01:49 - Seewolf: Genau, Vorstellung brauchen wir auch nicht. Ich glaube, die
Frage, die mich auch zuerst bewegt hat, als wir gehört haben, dass Sie

kommen, ist eher eine bisschen lustige Frage, aber die ist natürlich wichtig.
Steht bei Ihnen zu Hause ein Kopfball?

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Yogeshwar: Ich bin ehrlich, nein. Ich habe eine Kopfballuhr, ja. Der Kopfball
selber, der steht nicht da.
Seewolf: Also das ist natürlich überraschend.


Yogeshwar: Naja, das sind diese Plasmakugeln, aber nein, steht nicht da. Ich
sammle auch nicht so Geschichten, aber eine Uhr steht noch da. Es gab ja
immer den Kopfball und die Uhr und ich habe immer gesagt, gut, das sind so

Symbole. Der eigentliche Gewinn ist die Erkenntnis.
02:40 - Seewolf: Das stimmt. Die Uhr nimmt auch nicht so viel Platz weg, also
von daher passt das auch ganz gut. Genau. Dann noch eine einfache Frage zum

Einstieg. Was hat Sie am meisten erstaunt, was Sie durch Ihre Arbeit für das
Fernsehen gelernt haben? Also Sie sind jetzt 40 Jahre dabei. Ist vielleicht ein
bisschen, man hat da wahrscheinlich sehr viel Erstaunenswertes

mitbekommen, aber so das, was Ihnen so spontan durch den Kopf schießt.
Yogeshwar: Ich glaube vielleicht gerade in dem Kontext hier eine Sache, die mir
sehr schnell und zwar in einer ganz besonderen Form bewusst wurde, ist, ich

hatte studiert, war in den Kreisen der Elementarteilchenphysiker, das ist die
Bubble. Und dann kommt man in ein Massenmedium und wird konfrontiert mit
Menschen, die natürlich ganz viele unterschiedliche Aktivitäten haben, aber die

eben extreme Laien sind. Und das, glaube ich, ist etwas, was mich nachhaltig
geprägt hat, sich immer klarzumachen, die Themen, über die wir in unserer
Blase reden, müssen nicht notgedrungen die Themen sein, die bei anderen eine

Rolle spielen. Und ein Gefühl dafür zu bekommen, war für mich am Anfang
etwas, wo ich viel darüber nachdenken musste.
04:07 - Seewolf: Das ist ein interessanter Punkt. Also ich muss nicht outen, ich

habe auch null Ahnung von Physik und habe auch keine, also ich finde es
spannend, aber ein tieferes Interesse daran. Das ist, glaube ich, an sich auch
nicht verwerflich. Aber wenn wir gerade bei dem Thema sind, wir haben in der

letzten Zeit, ich sage nur Donald Trump, Menschen, die nicht an die
Wissenschaft an sich glauben oder quasi grundlegende Konzepte verleugnen.
Was denken Sie, wie können wir das Verständnis von Wissenschaft und

Technologie in der Gesellschaft verbessern, insbesondere in einer Zeit, in der so
Verschwörungstheorien und Fehlinformationen weit verbreitet sind?
Yogeshwar: Ich glaube man muss zwei Schritte zurück gehen, um wirklich mal

zu gucken, was passiert gerade. Davon lebt die Wissenschaft. Das heißt, die
Erkenntnis, die heute stimmt, wird durch irgendein Experiment, was morgen
stattfindet, vielleicht sogar revidiert. Also Wissenschaft ist hochdynamisch. Und

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ich glaube, was wir in dieser Welt erleben, ist, dass eine Infragestellung von
Autoritäten stattfindet. Denn für ganz viele Menschen ist es nach wie vor so,


sie müssen glauben. Sie müssen dem Wissenschaftler glauben, sie müssen dem
Politiker glauben oder sonstigen Menschen. Und ich denke, da hat sich etwas
verändert. Da ist man kritischer geworden. Und jetzt gibt es einige Menschen,

die einfach sagen, ich bin unsicher, ich weiß es nicht. Aber es gibt eben auch
welche, die genau diese Verunsicherung in der Gesellschaft
instrumentalisieren, um sie für ihre Zwecke einzusetzen. Und da kommen dann

zum Teil sehr abstruse Theorien oder Konsequenzen raus.
05:58 - Seewolf: Sie sind vielleicht auch schon selber so direkt in Kontakt
gekommen mit Personen, die seit Jahrzehnten die Wissenschaft infrage stellen

und die solche grundlegenden Sachen verleugnen quasi. Wie gehen Sie
persönlich damit um, wenn Sie mit solchen Personen aneinanderstoßen?
Yogeshwar: Ja, ich glaube, man darf die nicht alle in einen Topf setzen. Da gibt

es ganz unterschiedliche Menschen, ganz unterschiedliche Motive, ganz
unterschiedliche Argumente. Da gibt es welche, die vielleicht einfach
verunsichert sind, die auch in einer Welt, die ja auch medial inzwischen extrem

pluralistisch ist, Schwierigkeiten haben, mit all den Informationen, die sie zum
Teil im Netz bekommen, am Ende wirklich zu sagen, was stimmt denn jetzt?
Und das ist extrem schwierig für diese Menschen. Und das kann man zum Teil

nachvollziehen. Und dann ist auch hier die Frage am Ende des Vertrauens zu
stellen, nämlich in dem Dialog gibt es eine Basis des Vertrauens, haben wir
irgendwo einen gewissen Konsens? Und das funktioniert bei vielen Menschen

ganz gut, aber es gibt eben auch welche, die aus was auch immer Erfahrungen
enttäuscht sind, die so weit, ich sage mal abgedriftet sind in dieser vielleicht
anderen medialen Community im Netz, dass sie geradezu diese Narrative

übernehmen und sagen, das ist einer, der bezahlt ist, der Yogeshwar, oder der
ist der Knecht der Regierung oder ich, was für mich total spannend ist, ich bin
seit vielen Jahren nicht mehr beim WDR, werde aber immer noch als öffentlich

rechtlicher Knecht angesehen. Also wo man auch manchmal denkt, hey
Freunde, guckt doch einfach mal nach.
Seewolf: Das ist vielleicht so ein erster Schritt in Sachen Plausibilität. Vielleicht

kann man das auch positiv wenden und sagen, wenn Sie als öffentlich-rechtlich
wahrgenommen werden, in dem Sinne, dann ist das - In die andere Richtung
vermittelt das ein bisschen Glaubwürdigkeit.

Yogeshwar: Nein, genau das Gegenteil. Zumindest in dieser Community, das
öffentlich-rechtliche System Teufelszeugs ist und die wollen uns alle
indoktrinieren und die kosten auch noch, also ganz schlimm.

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Seewolf: Ja, na ja, das stimmt schon, das ist richtig.
Yogeshwar: Ich gucke übrigens hier auf einen Bildschirm und das ist für mich


auch ein bisschen absurd. Ich sehe lauter Avatare, irgendwelche Figürchen und
Namen, die geradezu genauso seltsam sind. Also ich habe mir erlaubt, meinen
Namen auch richtig voll auszuschreiben, weil das auch, finde ich, so ein

bisschen diese Kultur ist, die sich geändert hat. Also jetzt gibt es seltsame
Namen und dahinter verbergen sich Menschen - manchmal in den sozialen
Netzen auch nicht. Dann sind da irgendwelche Computerprogramme und

Chatbots. Also Kommunikation an der Stelle ist inzwischen ziemlich schwierig
geworden. Und das, was ich hier erlebe, nämlich wenn man das so abstrakt
sieht, dann gibt es auch oft eine Verschärfung des Konflikts. Und Sie haben

mich vorher gefragt, wie ist das? Hast du manchmal den Dialog mit dem einen
oder anderen und ich habe manchmal welche angerufen. Und dann kommt es
zu einer manchmal 180 Grad Drehung, weil plötzlich merkt er, okay, da ist ja

ein Mensch auf der anderen Seite. Und wenn ich den frage sage, sag mir jetzt
mal ganz konkret, wo ist das Problem? Dann ist er völlig erstaunt, dass er
überhaupt wahrgenommen wird. Und in manchen Fällen ist es so, dass einfach

der unmittelbare, der direkte Kontakt auch schon eine gewisse Basis für
Vertrauen darstellt.
09:47 – Yogeshwar: Also wenn ich auf meinen Bildschirm gucke und ich gucke

mir all diese seltsamen Aliens an, weiß man auch nicht, soll man denen
vertrauen oder wer ist das?
Seewolf: Ja, das ist für uns als Moderatoren immer auch so eine schwierige

Frage. Also bei einigen wissen wir, dass wir denen vertrauen können, weil wir
die schon seit Jahren kennen. Bei anderen ist es dann eher schwieriger. Und da
wünscht man sich auch persönlich mal, dass man dir anrufen könnte und

fragen könnte, was ist eigentlich dein Problem, wenn du so einen Mist
schreibst, den wir dann nachher löschen müssen. Aber ich glaube, das ist auch
so eine Frage im Internet. Man hat quasi eine gewisse Anonymität. Man hat

eine gewisse Identität hinter, der man an sich verstecken kann. Und die man
dann entweder auf der einen Seite spielt, also man spielt dann eine neue Rolle,
oder man kann im Internet, das ist eher so der positive Twist von dem Ganzen,

man kann im Internet seine echte Identität sozusagen darstellen. Also
beispielsweise bei Persönlichkeiten oder bei Menschen, die Probleme in der
Realität mit ihrer Identität haben. Transmenschen beispielsweise, die können

im Internet freier agieren. Also das hat Vor- und Nachteile. Das sehe ich auch
so.

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Yogeshwar: Also ich glaube, es gibt sicherlich Bereiche, Transmenschen sollten,
finde ich, das ist meine Überzeugung, auch in der ganz normalen Realität, ohne
Probleme sich artikulieren können. Die gehören einfach zur Gesellschaft dazu.


Aber man hat natürlich Bereiche, wo in gewisser Weise eine Anonymität
notwendig ist. Wenn man an therapeutische Gruppen, medizinische Dinge
denkt und so weiter, da finde ich das okay. Auf der anderen Seite müssen wir

uns auch vielleicht mal klar machen, dass diese sogenannte Anonymität eben
nicht so wirklich eine ist. Denn wenn es wirklich hart auf hart kommt, dann
wird man sehr schnell, auch heute im Netz, über IP-Verfolgung, über, wenn

man länger drin ist, die Artikel, die Datenspuren, die man hinterlässt, ein
Retracing machen und feststellen, wer ist das? Also insofern, das ist so ein
nettes Spiel, bei dem wir alle meinen, wir seien anonym. Und auf der anderen

Seite merken wir nicht, dass die Daten, die unser Handy sammelt, die unsere
Webseitenbesuche sammeln, im Grunde genommen schon ein sehr klares
Profil von uns wiedergeben und wenn man es wirklich hart drauf anlegen

würde, könnte man auch möglicherweise sogar sagen, wer der oder die sind.
Seewolf: Ja, das stimmt, das ist richtig und da muss man auch immer genau
darauf achten, dass die Politik da in die richtige Richtung steuert und nicht alles

offenlegt.
Yogeshwar: Genau.
12:39 - Seewolf: Nur so weit wie notwendig. Wir hatten gerade schon quasi so

ein bisschen das Thema Wissenschaftsjournalismus. Es gibt ja viele
Wissenschaftsjournalisten, aber nur ein paar profilierte. Dazu gehören
beispielsweise Sie, dazu gehört auch Mai Thi, Nguyen Kim, Harald Lesch. Haben

Sie einen Stammtisch mit Ihnen oder so eine gemeinsame Telegrammgruppe,
wo Sie quasi gemeinsam darüber lachen können, was für
Wissenschaftsmythen.

Yogeshwar: Also wir schätzen uns sehr. Ich kenne sowohl Mai Thi als auch
Harald sehr, sehr gut und finde es großartig, was die machen. Was ich vielleicht
bei dieser Zunft so schön finde, ist, dass wir uns an dem erfreuen, was der

andere oder die andere machen. Also es ist da nicht so eine Konkurrenz,
vielleicht wie in anderen Bereichen der Medien. Und das finde ich sehr
wohltuend. Und ich muss einfach sagen, ich finde es großartig, was sie machen.

Aber wir haben keine Telegram Gruppe, aber manchmal telefonieren wir, wenn
irgendwas ist und das finde ich auch sehr nett. Genau.
13:50 - Seewolf: Kommen wir jetzt zu einer ein bisschen kritischen Frage. Sie

haben in einem Zeitartikel sich davon distanziert bzw. Es als Fehler angesehen,

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dass Sie ihr Gesicht der Impfkampagne der Bundesregierung des


Gesundheitsministeriums geliehen haben. Wollten Sie damit die
impfskeptischen Gemüter erheitern? Haben Sie neue Erkenntnisse bezüglich
der Impfung oder hat Ihre Aussage primär nichts mit der Impfung an sich zu tun

oder gibt es einen anderen Grund?
Yogeshwar: Also zuerst einmal der Grund oder der Anlass war, dass die
Kollegen von der Zeit einen Artikel planten und sagten, okay, wir wollen nach

über zwei Jahren Corona Pandemie eigentlich auch mal wissen, gibt es Dinge,
die falsch gelaufen sind, wo man so im Nachhinein sagt, hätte ich anders
gemacht. Das finde ich persönlich auch sehr gut und sehr wichtig und ich habe

da mitgemacht. Interessanterweise, glaube ich, waren keine andere
Journalistin dabei. Und ich habe für mich sehr selbstkritisch gesagt, okay, wo
sind Dinge, die ich heute mit der heutigen Perspektive wirklich anders machen

würde? Und da war zum einen ein Fehler, der mich wirklich am Anfang befasst
hat, war, dass ich im Vorfeld Sendungen zum Thema mögliche Pandemien
gemacht hatte und dann im Januar 2020 tatsächlich auch die Nachrichten aus

Wuhan in den Wissenschaftskreisen vernahm, aber nicht darauf reagiert habe
und nicht gesagt habe, hey, da müssen wir drauf hingucken, da müssen wir was
machen. So ähnlich übrigens wie jetzt im Moment H5N1, die Grippe unterwegs

ist, Und ich da auch jetzt sehr genau hingucke und sage, oh oh oh, kommt da
was. Und dann gab es so ein paar Dinge, die eine Rolle spielten. Ich habe mich
immer für die Impfung ausgesprochen, wissend, dass man zwar nicht alles

weiß, aber dass es eigentlich eine Riesenchance ist im Vergleich zu
vorhergehenden Pandemien, dass wir diese Chance haben. Und bin gefragt
worden irgendwann, okay, willst du deinen Kopf für eine Impfkampagne. Ich

muss an der Stelle ausdrücklich sagen, ich habe dafür keinen Cent bekommen.
Also das wurde mir immer unterstellt. Nein. Und das habe ich gemacht. Ich
habe dann auch ein Video gemacht zum Thema Impfung. Und da war es

tatsächlich so, dass ich sehr klar auch bei denen, die diese Impfkampagne
gemacht haben, gesagt habe, das mache nur ich. Da ist kein anderer dabei,
keine Agentur, weil das einfach wichtig ist. Ich möchte schon sehr direkt an der

Stelle die Menschen ansprechen. Aber was ich gemerkt habe, und das war eben
diese kritische Einschränkung, würde man mich heute noch mal fragen, würde
ich wahrscheinlich eher nein sagen. Warum? Weil man sozusagen den Kopf für

etwas hinhält und in dem konkreten Fall ein Gesundheitssystem Deutschlands
dastand und ich eine Menge Kritik eigentlich habe in Bezug auf was hat man da
gelernt? Einfaches Beispiel, habe ich auch in der Pandemie kritisiert, dass

Faxgeräte, also dass die Infrastruktur im Gesundheitssektor ziemlich peinlich
ist. Da muss ich heute sagen würde ich eher sagen Okay, Freunde, bringt
gewisse Sachen in Ordnung und dann bin ich auch dabei. Das Zweite, gut, kann

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jeder machen, wie er will, man gibt seinen Kopf her und zwar wirklich ehrlich,
um zu sagen, hey, das ist wichtig, „Impfen ist schlauer“, das war der Slogan.


Und dann merkt man, dass man so einen Tsunami an Hassmails bekommt. Und
das ist ehrlich gesagt etwas, was ich ziemlich traurig finde, weil da laufen dann
unzählige Unterstellungen. Da wird es dann sehr diffamierend. Und das finde

ich schade, weil mein Ansatz über viele, viele Jahre war, an der Stelle wirklich
ehrlich zu kommunizieren und in dem Falle, wo man auch Fehler macht, ich
mache natürlich auch Fehler, wie jeder andere auch, die genauso transparent

auch zu kommunizieren. Und das ist für mich eine Haltung, die ich mir
allerdings nicht nehmen lasse. Also ich werde auch in Zukunft mir die Freiheit
gönnen, wenn Dinge da sind, wo ich mich geirrt habe, die auch ganz klar

anzusprechen, weil ich glaube, das ist vielleicht auch ein bisschen ein Indikator
für Wahrhaftigkeit.
Seewolf: Oder auch ein bisschen Indikator für Wissenschaft. Also das ist ja auch

so ein…
Yogeshwar: Ich glaube, das sollte über die Wissenschaft hinausgehen. Das
sollte etwas sein, was uns alle eint. Das ist vielleicht auch etwas, was wir in der

Kommunikation neu lernen müssen. Ich habe oft den Eindruck, das sieht man
auch in deutschen Talkshows, da gibt es immer den einen und den anderen
Gast und die geraten aneinander und die Redaktion freut sich, weil da

Stimmung ist. Aber ich finde das eigentlich schade, weil ich würde mir eher
wünschen, dass es Talkshows gibt, wo man auch mal ein anderes Argument
hört und wo man hört, wie ein Teilnehmer sagt, „Oh, das habe ich so nicht

gesehen, darüber muss ich nachdenken. Danke für diese Einsicht. Also wo wir
auch im Diskurs gegenseitig uns befruchten und weiterkommen und nicht im
Grunde genommen nur eine Schlacht absolvieren, an deren Ende die Haltung

genau so ist wie am Anfang.
Seewolf: Ja, das ist ein frommer Wunsch.
19:21 - Jobax: Ja, da haben Sie jetzt auch schon direkt einen Punkt

angesprochen, wozu uns auch eine Frage erreicht hatte eigentlich in Bezug auf
diese Talkshows. Aber es ist dann an der Stelle die Frage, dass Sie oft ja auch in
Sendungen eingeladen werden, wo man vielleicht einen gewissen

wissenschaftlichen Blickwinkel erhalten möchte oder jemanden dazu befragen
will, aber dem Nutzer in dem Fall jetzt gar nicht richtig klar war oder auch
generell gar nicht richtig klar ist, inwiefern Sie denn da fachliche Expertise

haben. Und da ist jetzt die Frage von ihm, ob sie da einfach das Gefühl
manchmal haben, einfach eingeladen zu werden, weil es für die Redaktion
einfacher ist, Sie als Experten für Wissenschaftskommunikation vielleicht auch

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jetzt zu nehmen als einen richtigen Experten, der jetzt aus dem Gebiet kommt.
Und kommt es da dann auch vor, dass sie so etwas ablehnen, solche Anfragen


und gegebenenfalls auch jemanden empfehlen, der vielleicht viel mehr als Sie
zu dem Thema sagen kann?
Yogeshwar: Ja, also es sind eigentlich drei versteckte Fragen darin. Ich fange

mit der letzten an. Ja, zuerst einmal ist es nicht so, dass wenn irgendeiner
anruft, ich sofort in die Talkshow rase, sondern in der Regel ist es eher so, dass
ich absage, ganz profan manchmal, weil ich keine Zeit dafür habe. Also ein

schönes Beispiel ist, morgen gibt es eine Aufzeichnung bei Markus Lanz, die
Sendung kommt später, da geht es um Chat GPT. Wäre ich gerne hingegangen,
kann ich aber nicht, ergo da ist ein anderer und das ist gut. Es gibt auch viele

Anfragen, wo ich manchmal sage, „holt euch doch den und den, der ist da
besser“. Also ich finde das sehr essentiell. Ich kann mich zum Beispiel ganz
konkret an eine Talkshow erinnern, da ging es um Klima und Wetter und da

habe ich gesagt, „Freunde, ruft doch Sven Plöger an, der ist viel besser in dem
Thema drin als ich“. Also das passiert. Der zweite wichtige Punkt ist aber, und
den muss man auch verstehen, natürlich gibt es in jedem Bereich Experten.

Experten, die viel mehr wissen als ich, die in ihrem Feld absolute Koryphäen
sind. Aber im Kontext oft von Talksendungen oder von Fernsehen oder ich sag
mal Sendungen, die für ein breites Publikum wichtig sind, gibt es auch eine

Erfahrung, dass oft diese extremen Experten kaum in der Lage sind,
verständlich relevante Punkte einem breiteren Publikum zu erläutern. Und
genau da, finde ich, haben wir Wissenschaftler Wissenschaftsjournalisten eine

Rolle, weil wir zwischen diesen beiden stehen. Also auf der einen Seite, wenn
ich in solchen Sendungen oder in meiner Karriere viel Bullshit erzählt hätte,
dann würde ich gegrillt und zwar zu Recht gegrillt werden von der

Wissenschaftscommunity. Aber das Gegenteil ist der Fall. Also es gab extrem
viel immer Zuspruch. Und umgekehrt bin ich auch einer, der immer wieder
nachhakt bei dieser Community, aber der auf der anderen Seite natürlich

neben einer gewissen auch inhaltlichen Kompetenz, ich meine genau das
macht ja einen guten Wissenschaftsjournalisten aus, auch durchaus das
Handwerk beherrsche, wie man manchmal komplexe Dinge vielleicht so

vereinfacht, aber dennoch korrekt darstellt, damit ein breiteres Publikum auch
im Ansatz versteht, um was es geht. Denn diese Debatten sind ja nicht, ich sag
mal, im engsten Sinne wissenschaftliche Debatten, sondern das sind breitere

Debatten, Und insofern ist das immer ein Kompromiss. Aber wir haben leider
Gottes zu wenige extreme Fachleute, die dann auch in der Lage sind, zu
kommunizieren. Und wenn man alleine mal Corona nimmt, dann kenne ich

auch Fachleute, die dann gesagt haben, hey, pass auf, ich bin Virologe und
nicht Epidemiologe oder ich bin Modellierer und dafür kann ich mich oder

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kenne ich mich genau so wenig aus wie du in der, im klinischen Betrieb. Also da
müsste man dann so viele verschiedene Experten zusammenladen, dass
wahrscheinlich die Sendung dann auch ein bisschen überfüllt wäre.


23:37 - Jobax: Ist das denn ein Punkt, in dem wir in Deutschland oder auch in
Talkshows und Zeitungen oder wie Sie gerade auch angesprochen hatten, ja im
Verlauf der Pandemie noch hinterherhängen, dass es eigentlich gar nicht so im

Bewusstsein der Leute vielleicht ist, dass man mehr auf
Wissenschaftskommunikation bauen muss, auf Menschen, die sowas immer
lange machen, gelernt haben, verstehen, wie man dem Otto Normalbürger

eigentlich das mitgibt, was die schlauen Leute an den Universitäten sich
eigentlich ausgedacht haben.
Yogeshwar: Ja, es geht zum einen darum, dass natürlich diese

Kommunikationskompetenz eine ist, die nicht von heute auf morgen kommt,
die man lernen muss. Jeder der Kommunikatoren, die, ich sag mal, so ein
bisschen bekannter sind, also Harald Lesch, Mai Thi oder ich, wir haben alle

irgendwo einen wissenschaftlichen Background, reden aber im Laufe der Zeit
natürlich auch über Dinge, die nicht in unserer unmittelbaren Kernkompetenz
liegen. Aber der Vorteil ist, wir verstehen, wie taktet die

Wissenschaftscommunity. Wir sind in der Lage, auch mal ein Paper, keine
Ahnung, der Geophysik zu lesen, wenn es um so ein Thema geht. Und der
entscheidende Punkt dabei ist, es gibt ein Anliegen, möglichst korrekt und

faktentreu Dinge auch manchmal einzuordnen. Denn der Experte ist, wenn
dann überhaupt da, deswegen. Natürlich kann ich auch verstehen, das
deutsche Fernsehen hat so eine sonderbare Art, immer den Titel Experte drauf

zu kleben. Also wenn es im Winter zu viel schneit, dann gibt es manchmal
Schalten und dann steht da irgendeiner und da steht dann Schneeexperte oder
so, was natürlich völlig absurd ist. Aber alles in allem, glaube ich, brauchen wir

mehr von den guten Kommunikatoren. Denn in der Pandemie hat man ja auch
gesehen, dass viele Experten im engeren Sinne, also Wissenschaftsexperten,
plötzlich in Talkshows waren und nicht so richtig verstanden haben, wie

Medien funktionieren. Also ich habe am Anfang mit vielen von diesen dann
telefoniert. Also die haben mich angerufen und verstanden nicht, wie geht
eigentlich dieses Mediengeschäft und mussten dann sehr schnell im Grunde

genommen auch ein bisschen gebrieft werden. Was kannst du da sagen und
was sagen auch Medien und wie verkürzen Medien etc. Also das ist nicht ganz
einfach.

26:17 - Jobax: Ja, das ist ja ein überaus interessanter Einblick, den Sie uns hier
gerade gewähren konnten. Und sie sprachen ja jetzt von dieser
Wissensvermittlung, dass wir da ja was tun müssen. Es gibt ja auch in dem

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Sinne ja viele verschiedene Wissenschaftsmagazine, die ja auch auf
kindgerechte Wissensvermittlung setzen. In diesem klassischen Sinne im


Fernsehen die Sendung mit der Maus, da denkt man ja eigentlich immer dran,
das kennt man aus der eigenen Kindheit oder zumindest ich kenne das aus
meiner Kindheit. Und was denken Sie denn dazu? Sind diese Magazine

heutzutage immer noch so gut geeignet, diese Vermittlungen durchzuführen
oder gibt es da mittlerweile vielleicht auch bessere Alternativen, gerade da sich
ja unsere Welt wandelt, schnell lebender wird und sich auch ja vielleicht die

Kinder gar nicht mehr so viel vor dem Fernseher aufhalten, sondern eher sich
mit anderen Medien beschäftigen?
Yogeshwar: Ja, also wir sind mitten in einer Zeit des Wandels und Sie haben zu

Recht gesagt, die Sendung mit der Maus, das war bei mir so. Erstens mal, das
war nicht eine Sendung für Kinder, das war vielmehr eine Sendung für
Erwachsene. Wenn ich mir heute Wissensvermittlungen anschaue, und ich

gucke mir nun mal ganz konkret an, was in YouTube für tolle Kanäle da sind, wo
ich einfach begeistert bin, wie die das erläutern. Und zwar in allen
Schattierungen von den ganz einfachen, ich sag mal prinzipiellen Dingen bis

hinein zu wirklich sehr fokussierten und großartigen Kanälen, die einem Dinge
auf eine Art und Weise beibringen, wie ich mir sie immer hätte wünschen
wollen. Also ich nehme mal ein Beispiel. Es gibt einen meiner Lieblingskanäle,

3Blue1Brown, also 3 Ziffer 3 Blue 1 Brown. Und da geht es um Mathematik und
zwar in einer phänomenal tollen Darstellung. Und das sind Vermittlungskanäle,
die auf ihre Art wirklich großartig sind. Und davon gibt es ganz viele auch bei

YouTube, genauso wie es natürlich viele Schwachsinn gibt. Aber es gibt Perlen
und ich glaube, jeder, der danach sucht, wird auch irgendwann fündig.
Jobax: Tatsächlich, der gerade benannte Kanal wurde uns auch im Mathekurs

bei meiner Universität empfohlen von einem Dozierenden, falls wir Interesse
haben, in die Materie tiefer einzusteigen, uns das noch einmal anzusehen, da
gibt es teilweise ja viel was auch teilweise entsprechend gefördert wird.

Yogeshwar: Ja, klar. Und insofern merkt man, da findet ein medialer Umbruch
statt. Und das gilt natürlich für die junge Generation noch viel mehr, die
natürlich über ganz andere Kanäle an diese Informationen kommt. Also das ist

nicht mehr das klassische Fernsehen wie, was weiß ich, zu meiner Kindheit. Am
Samstagabend, da wurde gebadet und danach durften die Kinder fernsehen,
sondern heute läuft das anders ab. Aber was wir einfach sehen, ist, es gibt ganz

viele großartige Ansätze, aber auch hier greife ich nochmal auf, was wir vorher
gesprochen haben. Man muss natürlich auch gucken, ist das glaubwürdig? Und
da gibt es natürlich einige Themen, wo man manchmal ans Zweifeln kommt.

Also ich hatte letztens eine Debatte, da ging es um Kernenergie und dann habe

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ich mir angeguckt, was es auf YouTube gibt, um da festzustellen, wow, da gibt


es auch jede Menge, auf gut Deutsch Schrott, also wo Dinge nachgeplappert
werden, wo Dinge nicht wirklich verifiziert werden. Und das wird natürlich im
Laufe der nächsten Jahre noch viel schwerer. Also wo sind genau die Kanäle,

wo man wirklich sagen kann, das passt? Und wo sind Kanäle, die durchaus
fragwürdig sind, die mit Interessen gekoppelt sind, die zum Teil kommerziell
operieren, also wo man sich über etwas informieren möchte und nicht merkt,

dass man eigentlich so ein bisschen eingelullt wird. Das macht es natürlich
heute sehr viel schwerer als vielleicht früher. Aber auf der anderen Seite sind
wir ja alle nicht ganz blöd und sind vielleicht in der Lage, nach und nach auch zu

differenzieren, was da passt und was nicht.
30:35 - Seewolf: Wo wir gerade bei fragwürdigen Themen sind. Ich mache jetzt
einen kleinen Break sozusagen in dem Sinne. Wir haben ja unsere Community,

die Fragen gesagt, bitte stellt uns Fragen, die wir dann fragen können. Und
manchmal kommen da auch verrückte Fragen raus. Deswegen ganz kurz die
Frage, mögen Sie Frösche?

Yogeshwar: Ob ich Frösche mag? Ja. Also ich mag Frösche. Okay, ich habe mal
eine ganze Sendung über Froschforschung gemacht, war mal in Zentralvietnam
mit dem stellvertretenden Leiter des Kölner Zoos und da haben wir also

wirklich Frösche en tout détail analysiert. In dem Kontext mag ich Frösche.
Wenn es jetzt heißt, magst du Frösche auf dem Teller, ist meine Antwort Nein.
Seewolf: Da haben wir schon zwei Antworten auf eine Frage. Das ist super. Da

haben wir zumindest einen User zufriedengestellt, glaube ich.
Jobax: Frösche auf dem Teller wäre bei uns auch sehr kritisch hier mit der
Vorgeschichte, wie sie diese Frage wahrscheinlich hatte.

Yogeshwar: Ich weiß es nicht. Also da sollte man auch, ja ich meine, „Liquiste
Grenouille“, wie man im Französischen sagt, galten lange als Delikatesse. Also
da sage ich, ich verdamme keinen. Natürlich ist es auf Dauer so, dass wir auch

über das, was wir essen, ein bisschen tiefer nachdenken sollten. Aber ich bin da
nicht dabei.
32:07 - Seewolf: Sehr gut. Sie haben vor zehn Jahren, unsere User haben ein

Elefantengedächtnis, sage ich mal so, und sind natürlich digital affin,
gamingaffin. Vor ungefähr zehn Jahren haben Sie bei Fernsehkritik.tv sich mal
über Killerspiele in Anführungsstrichen geäußert. Das war damals vor allem

World of Warcraft, glaube ich. Haben Sie inzwischen eine andere Einstellung

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dazu oder ist das, was Sie da quasi gesagt haben, noch immer so der Stand der


Entwicklung oder der Stand Ihrer Meinung?
Yogeshwar: Also was ich sehe, ist, zum einen, gut, ich bin jetzt nicht der Gamer,
allerdings weiß ich, um was es geht und ich sag mal, wenn man vier Kinder hat,

kommt man nicht umhin. Was ich aber sehr klar sehe, ist, dass zum Einen wir
ein enormes Suchtpotenzial haben. Also diese Spiele führen dazu, dass manche
Menschen wirklich sozusagen in dieser Wirklichkeit so eintauchen, dass man

sagt, hallo, komm mal wieder raus. Es gibt natürlich auch positive Dinge im
Sinne von Kommunikation innerhalb des Spiels. Das ist schön und gut. Ich bin,
das sage ich sehr offen, kein Freund von Ballern oder von realistischem Ballern,

weil ich an der Stelle auch manchmal denke, gerade im Kontext der Gegenwart,
in der Ukraine gibt es einen Krieg und ich finde, da sieht man eigentlich, das will
man nicht und sozusagen nach Feierabend eigentlich einzutauchen in eine

solche Welt, ist ehrlich gesagt wirklich nicht mein Ding. Aber was viel tiefer ist
für mich, ist ich sehe das Potenzial einer Sucht und das hat im Laufe der Zeit
zugenommen. Also wir müssen uns mal klarmachen, es gibt so Statistiken. Und

eine Statistik sagt, wir sind im Schnitt weltweit knapp sieben Stunden am Tag
on oder im Internet. Und wenn wir jetzt noch weiterspinnen und wir machen
uns klar, wir haben ja gerade alle, nehme ich an, hier in der Community davon

gehört, es gibt ChatGPT, also es gibt jetzt sozusagen eine KI, die anfängt, immer
besser zu werden. In einigen Bereichen, oder wo man zumindest die Illusion
hat, oh, da versteht einer mich. Es gibt Avatare, die nicht so piktogrammmäßig

aussehen wie das, was ich hier beim Reddit Talk sehe, aber die tatsächlich
bewegt sind. Und jetzt träumen wir oder spinnen wir einfach mal ein paar Jahre
weiter. Dann werden wir möglicherweise auch Brillen aufhaben, eintauchen in

eine virtuelle Welt. Diese virtuelle Welt hat viele interessante Aspekte. Und
treffen Menschen, die möglicherweise KIs sind, die aber scheinbar uns
verstehen, die uns Antwort geben, die unsere Probleme kennen oder

zumindest eine scheinbare Antwort auf die geben. Und irgendwann ist die
Gefahr groß, dass wir auch emotional anfangen, eine ganz andere Bindung in
diese Welt zu bekommen. Und wenn man das wirklich mal radikal weiterspinnt,

dann stelle ich mal die ganz offene Frage, sind wir gerade am Anfang einer
neuen Völkerwanderung von der Realität in die Welt des Digitalen? Und die
nächste Frage wird sein, ist das gut für uns? Wer profitiert davon? Und wollen

wir das auf Dauer so oder geht es vielleicht eher darum zu sagen, hey, komm,
Freunde, wir müssen die Realität vielleicht an der einen oder anderen Stelle
besser machen, statt Menschen, die in einer schäbigen Wohnung leben und

vielleicht nicht, ich sag mal, in dieser Gesellschaft so supported werden,
eigentlich nur die digitale Tür in diesen Eskapismus hinein zu öffnen?

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Seewolf: Ist eigentlich auch ganz interessant. Die meisten Medien, die sich
quasi genau mit diesem Problem beschäftigen, die fiktiven Medien, das heißt
Bücher oder auch Computerspiele an sich, gehen eher von einer Art Dystopie


aus, wenn es dazu kommt, dass die Leute mehr ins Virtuelle abgleiten mit
virtuellen Brillen oder ich erinnere mich an Cyberpunk-ideen, dass man da
quasi dann im Netz an sich ist. Und das sind eigentlich immer Dystopien.

Zumindest kenne ich keine Utopie.
Yogeshwar: Nun, es ist ein Phänomen, was wir auch in anderen
Lebensbereichen kennen. Ich nenne das das „Tütensuppenphänomen“. Ich

muss mich kurz erklären. Vor einigen Jahren haben wir mal im Rahmen von
Quarks eine Blindverkostung gemacht. Also reale Gemüsesuppe versus
Tütensuppe. Oder der echte Fruchtjoghurt mit Erdbeeren im Vergleich zu dem

künstlichen. Und interessanterweise war es so, dass die Mehrheit der
Menschen sagte, die wussten ja nicht, was sie essen, mir schmeckt der
künstliche Joghurt oder die Tütensuppe besser. Nun, die Erklärung dafür ist, im

Laufe der Zeit hat es so was wie einen Gewöhnungseffekt gegeben. Und am
Ende gewöhnen wir uns an etwas. Und das fände ich natürlich schade, weil wir
die Großartigkeit der Natur im Grunde genommen ein bisschen über Bord

werfen. Also insofern sage ich, man muss immer aufpassen, weil da findet auch
eine gewisse Konditionierung statt und das reale Leben hat so tolle,
wunderbare Überraschungen. Die muss man natürlich auch sehen und

wahrnehmen können und nicht im Grunde genommen abtauchen in das, was
man uns sozusagen auf den Teller setzt, auch wenn es günstig ist.
38:02 - Seewolf: Das stimmt. Sie haben aber gerade in Ihrer Antwort gerade

quasi so eine Art kleine Steilvorlage gewesen. Sie haben über den Ukrainekrieg
gesprochen, weil das quasi eine schreckliche Sache ist, die jetzt gerade
geschieht und die man dann quasi nicht virtuell noch wiederholen muss, indem

man Ballerspiele spielt. Sie haben ja quasi, waren Erstunterzeichner des
offenen Briefs der Emma, haben ihre Meinung zur Unterstützung der Ukraine
beigetragen, haben da gesagt, im Wesentlichen sollen keine Waffen geliefert

werden. Das war, wenn ich mich richtig erinnere, im April letzten Jahres. Die
Diskussion darüber hat sich so ein paar Monate weitergezogen, Mai, Juni, Juli.
Wir haben jetzt März 2023. Der Krieg läuft jetzt schon über ein Jahr. Haben Sie

Ihre Meinung, die Sie damals abgegeben haben oder die Sie kundgetan haben,
indem Sie Erstunterzeichner waren, haben Sie die inzwischen in irgendeiner
Weise geändert, revidiert, angepasst?

Yogeshwar: Also zuerst einmal sollten wir sehr genau gucken, was steht in dem
Brief drin. Ich war da nicht nur Unterzeichner, ich habe zum Teil mitformuliert.
Und mein klares Petitum ist, Leute, es gibt verschiedene Ansätze. Einer ist der

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konfrontative, der andere ist bauen auf Verhandlungen. Und das, was mich
motiviert hat, war zu sagen, liebe Leute, im 21. Jahrhundert sollten wir


eigentlich alle gemeinsam zivilisierter sein, als Waffen für sich sprechen zu
lassen, sondern den Weg der Verhandlungen gehen. Und mit Verhandlungen
meine ich nicht, jetzt ruft man bei Putin an, das ist völlig naiv, sondern

Verhandlungen heißt auch Formate bauen, andere mit einbeziehen, Nationen,
starke Nationen mit einbeziehen. Denn egal wie honky ein Putin ist, etwas
muss man immer sehen: jede Nation, jeder hat irgendwelche Interessen und es

geht darum an der Stelle über einen zivilisierten Weg möglichst dafür zu
sorgen, dass die vollständige Zerstörung aufhört. Und das zweite ist, Sie haben
mich gefragt, wie siehst du das? Und ich sage heute, man muss es vielleicht

noch dreimal stärker unterstreichen. Warum? Weil jeder, der ein bisschen
Antennen hat, weiß, momentan wird neben dem furchtbaren Kriegsschauplatz
Ukraine ein neuer Konflikt allmählich heißer. Und das ist ein Konflikt zwischen

den USA und China. Und den sieht man in ganz vielen großen und kleinen
Details. Und auch hier fangen jetzt Feindbildnarrative an, immer stärker zu
werden. Und ich warne einfach ausdrücklich davor, dass wir da nicht in noch

einen sehr viel größeren und kritischeren Konflikt hineinlaufen. Und da, glaube
ich, ist es wichtig, dass wir an irgendeiner Stelle sagen, hey, stopp mal, hier
muss zivilisiert gehandelt werden. Natürlich sind diese Konflikte immer

komplex, ja. Aber ich es ist mein Recht als Bürger an der Stelle auch zu sagen,
so, es muss und es gibt auch Alternativen. Und wenn es eine Lesson Learned
gibt, dann die, dass doch auf dramatische Weise der Brief verzerrt dargestellt

wurde. Man kann ihn, wie gesagt, lesen, kann jeder. Und das Zweite ist, dass
ich auch jetzt, gab es ja noch einmal eine Initiative, da war ich zwar nicht dabei,
aber ich beobachte ein ähnliches Muster, bei dem jeder, der einfach mal sagt,

hey, es muss doch eine Alternative geben dazu, dass wir am Ende hinnehmen,
dass die Ukraine in Schutt und Asche liegt. Und da merkt man, dass es dann
sehr persönlich wird, sehr diffamierend wird. Und das lehne ich einfach ab. Also

da sage ich, da bin ich ein echt überzeugter Demokrat. Und ich glaube einfach
daran, dass es auch alternative Wege gibt. Und ich bin da auch nicht alleine.
Also man muss auch ganz klarsehen, es gibt Umfragen, die einfach auch in der

breiten Bevölkerung zeigen, dass eben bei Weitem nicht jeder diesen Kurs trägt
und dass es viele Menschen gibt, die völlig zu Recht auch sagen, das kann
eskalieren. Und wie gesagt, wenn man dann an China denkt, dann sage ich,

wehret den Anfängen, wir müssen jetzt anfangen, anders zu handeln. Und ich
sage das auch noch zusätzlich als überzeugter Europäer, weil ich letztlich sage,
ich bin Europäer und die europäische Sicht auf die Welt ist auch manchmal eine

andere als die US-amerikanische oder die russische oder die chinesische. Und
an der Stelle ist es für mich auch essentiell, dass wir da auch in unserer
europäischen Freiheit bleiben und uns nicht jetzt in irgendeine Gefangenschaft

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nehmen lassen, bei der wir am Ende möglicherweise auch in Folgekonflikte
hineingezogen werden.


43:07 - Seewolf: Sie haben jetzt quasi die neue Entwicklung, was Alice
Schwarzer angeht beispielsweise auch schon erwähnt. Da gab es ja das
Manifest für Frieden. Da haben Sie, zumindest ist uns das nicht bekannt, nicht

unterzeichnet.
Yogeshwar: Nein, ich habe nicht unterzeichnet, aber ich finde nach wie vor der
Grundgedanke, der auch hier wieder mitschwingt, ist, hey Leute, es muss eine

Alternative geben. Guckt, was geht in Sachen Verhandlung. Und was man eben
jetzt sieht, ist ein Jahr danach, dass im Grunde genommen dieser Krieg sich
bedauerlicherweise festgefahren hat. Und dass es umso wichtiger ist, weil wir

jetzt auch diese Schicksale sehen, auch diese Schicksale vor Ort sehen, dass wir
da energischer eigentlich auch fordern, auch von unseren Repräsentanten des
Staates, dass sie eben auch wirklich nachhaltig diese Alternative des

Verhandelns angehen.
44:18 - Jobax: Aber sind wir denn an der Stelle eigentlich dazu berechtigt, das
kam auch in den Kommentaren oder kommt auch in den Diskussionen bei uns

im Sub immer wieder auf, sind wir denn als deutsche Bevölkerung, als Europäer
eigentlich nur als Nebenpartei dazu, ja berechtigt dazu berufen, den
Ukrainerinnen und Ukrainern vorzuschreiben, dass wie sie das handeln sollen,

dass sie ja mit Russland, mit Putin in Verhandlungen treten sollen und da dann
am Ende etwas aushandeln sollen müssen, was sie gar nicht wollen. Und wenn
man ja in die Ukraine schaut, dort in Umfragen schaut, ist da ja eigentlich eher

eine breite Mehrheit dafür, Russland oder russische Gebiete direkt anzugreifen.
Die gehen ja sogar über ihre Landesverteidigung hinaus und haben da ja in der
Richtung eine ganz andere Vorstellung oder einen ganz anderen Willen

natürlich auch, schließlich wird ja ihr Land angegriffen, als wir es haben.
Yogeshwar: Also ich muss zuerst einmal sagen, und zwar auch wirklich an der
Stelle als Journalist, was genau die Position der vielen, vielen, vielen vielen

Ukrainer ist, vermag ich nicht zu sagen. Wir haben auch eine deutsche Position,
die, wenn man genau hinschaut, durchaus differenziert ist. Also insofern bin ich
da vorsichtig. Was ich aber sehe ist, natürlich geht es nicht um Bevormundung,

aber es geht ja darum, dass wir als zivilisierte Nation unter den vielen anderen
zivilisierten Nationen im Grunde genommen ein Hauptziel haben. Und das ist,
dass es möglichst schnell zu einem Frieden, zu einem Waffenstillstand, zu

einem Stopp dieser Gräueltaten kommt. Das gilt für jeden Konflikt. Das gilt für
einen Konflikt in der Ukraine wie in anderen Ländern. Und wenn man sich die
Geschichte anschaut, sieht man ja, oft waren es sogar unabhängige

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Unterhändler, die dann im Grunde genommen sich dahingesetzt haben, gesagt
haben, okay, wir versuchen hier einen Konflikt einzudämmen. Also ein


konkretes Beispiel Israel und Palästina, da gab es sogar Jimmy Carter, also der
US Präsident, der gemeinsam mit den anderen Vertretern einen
Friedensnobelpreis bekam, weil er sich dafür engagiert hat. In dieser Haltung

könnte man ja auch sagen, wie das müssen die Israelis und die Palästinenser
ausmachen und was haben die Amerikaner da zu suchen? Nüschte. Also
insofern glaube ich, das gibt ein, finde ich, in zivilisierten Gesellschaften ein

Gebot einzuschreiten, so wie es ist ganz ähnlich, wie es in einer privaten
Erfahrung ist, also ich stelle einfach mal so ein Gedankenexperiment: Wenn
man über die Straße geht und da sieht man zwei, die sich streiten. Ja, da hat

vielleicht einer angefangen. Das ist absolut richtig. Aber das erste Gebot ist
doch im Grunde genommen dafür zu sorgen, dass zuerst einmal die Gewalt
aufhört. Und den zweiten Schritt kann man dann sortieren. Es wäre ja geradezu

fatal, wenn wir im Alltagsleben dann anfangen würden, den Konflikt noch eher
zu befeuern. Also ich glaube, das kann jeder vielleicht nachvollziehen im
Kleinen. Und das, was ich, glaube ich, mit allen anderen als Wunsch habe, ist

natürlich, dass es am Ende einen Frieden gibt. Ja, und natürlich soll das kein
Diktatfrieden sein. Das wäre dann kein echter. Aber dass ein Ende der Gewalt
da sein muss, halte ich für imminent wichtig und umso wichtiger, weil wir in

Deutschland nun wirklich, ich meine, da muss man nur mal mit den Groß- oder
Urgroßeltern sprechen, nun wirklich am eigenen Leib erfahren haben, was
eigentlich diese furchtbare Zerstörung ausmacht. Also ein bisschen symbolisch,

wenn man nach Berlin geht und sich wirklich mal den Bundestag anschaut,
dann sieht man noch die Einschusslöcher und die hat man wohlweislich nicht
retuschiert, um eigentlich klarzumachen, liebe Leute, das darf nicht mehr

passieren.
48:35 - Jobax: Das kam tatsächlich auch wieder auf und das habe ich jetzt auch
aus Ihrer Antwort so ein bisschen rausgezogen, rausgehört, geschrieben, da

gehören immer zwei Parteien zu. Und beide müssen ja die Absicht haben,
daran zu arbeiten, da entgegenzukommen und ja auch dann das Ganze
einzuhalten. Aber wenn wir uns jetzt die jüngere Geschichte angucken in die

Richtung. Es hat damals angefangen, nach der Wende in den 90ern, dass
Sicherheitsgarantien gemacht wurden für die Ukraine und die wurden mit der
Einnahme der Krim in dem Sinne verletzt und dann gab es dort ja auch wieder

Verhandlungen. Und jetzt stehen wir wieder an dem Punkt, dass Russland oder
Putin vor etwas über einem Jahr wieder in die Ukraine einmarschiert und dort
Verträge oder Verhandlungen verletzt hat. Und auch Waffenstillstände, die

verhandelt wurden, wurden ja auch teilweise von beiden Seiten genauso

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verletzt. Ist das denn in dieser Situation überhaupt möglich


Friedensverhandlungen zu führen.
Yogeshwar: Ja, es ist nicht einfach, aber es geht. Also das eine ist, zu
reukurrieren auf Geschichte, das überlasse ich wirklich anderen. Weil auch da es gibt immer wirklich mehrere Perspektiven. Also ich greife einfach mal eine

auf: Wir haben jahrzehntelang verdammt günstiges Gas aus Russland
importiert. Und natürlich ist Herr Putin nicht seit gestern ein Diktator, sondern
das war er auch vorher und das hat man stillschweigend akzeptiert. Also

insofern alleine schon aus der Tatsache, dass Millionen von Deutschland nach
Russland geflossen sind, weil es für uns opportun war, zeigt, auch wir haben
möglicherweise da nicht unbedingt eine lupenreine weiße Weste. Der

entscheidende Punkt hier ist aber zu verstehen, das ist nicht eine Verhandlung
von zwei Parteien. Das Verhandeln heißt, eine sehr komplexe, breite
Grammatik aufsetzen. Ich meine, es gibt viele historische Beispiele dafür. Wenn

man sich den Kalten Krieg anschaut, wo es ganze Verhandlungsformate gab mit
vielen verschiedenen Nationen, die Schritt für Schritt angefangen haben, den
Wahnsinn des Kalten Krieges im Grunde genommen zu beenden, dann merkt

man, das ist hier etwas, was wahrscheinlich ähnlich ist. Und natürlich gibt es
zwei Parteien, die besonders davon betroffen sind, absolut. Aber es geht eben
darum, dass der Rest der Welt sehr proaktiv, einfach, ich sag mal, in meiner

vielleicht zu ideellen, aber ehrlichen Haltung sagt, Krieg kann nicht mehr im 21.
Jahrhundert ein Mittel sein in zivilisierten Nationen. Und wir werden uns mit
aller Energie dafür einsetzen, dass wenn es Kriege gibt, das sind alles Kriege aus

dem vergangenen Jahrhundert, dass die beendet werden.
51:45 - Seewolf: Also vielen Dank schon mal für die Kommentare zu Ihrer
Unterzeichnung oder zum Ukrainekrieg generell. Ich glaube, das ist halt auch

eine sehr große Diskussion, eine sehr wichtige Diskussion, die immer wieder
geführt werden muss und auch wenn man da sich nicht einig ist. Also ich
stimme mit Ihnen auch nicht überein, aber ich glaube, das ist eine Diskussion,

die man immer wieder ansprechen muss.
Yogeshwar: Und wir müssen sensibler, wenn ich das noch sagen darf. Ja, wir
müssen vielleicht sensibler sein, weil das ist immer das alte Narrativ. Es gab es

immer schon, dass Kriege auch oft sozusagen zuerst in Worten vorbereitet
werden, mit Feindbildern vorbereitet werden, in einer gewissen Haltung
vorbereitet werden. Und da glaube ich, müssen wir klarer und eindeutiger sein.

Also ich greife mal ein Beispiel auf, was mich als Journalist echt irritiert hat. Sie
erinnern sich, vor einigen Wochen gab es einen sogenannten Spionageballon
über den USA.

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Seewolf: Den chinesischen, genau, ja.
Yogeshwar: Genau, der böse chinesische Spionageballon. Jetzt stelle ich mich


einfach mal dahin und ich überlege, gut, wenn ich Spionage betreiben möchte,
dann ist ehrlich gesagt erstens mal ein Ballon ziemlich blöd, weil der fliegt je
nach Luftströmung nicht dahin, wo ich will. Der ist für jeden sichtbar. Und das

Einfachste für mich wäre ein Lackmustest. Also die USA sind groß, man nimmt
das Teil runter und lässt es von einer, und das ist wichtig, unabhängigen
Kommission untersuchen und sagt, okay, was ist das? Ist das ein

Spionageballon? Ist das keine Ahnung, ein verirrter Wetterballon oder sonst
was? Und dann hat man Klarheit. Das ist nicht passiert. Und jetzt wabert im
Grunde genommen ein Bild, bei dem es nach ganz einfachen, glaube ich,

rationalen Argumenten ein leichtes wäre, wirklich zu prüfen, stimmt das? Ja
oder nein? Wenn ja, muss man klar handeln, wenn nein, muss man vielleicht
auch sagen, warum behaupten wir das dann? Und das ist eine Grundhaltung,

wo ich sage, Leute, wir müssen manchmal den Kopf einsetzen, weil mir geht
das im Moment zu sehr über die emotionale Ebene, wo man Feindbilder baut,
weltweit und wo an der Stelle ich schon sehr kritisch bin und sage, da wo es

möglich ist, etwas zu überprüfen, sollten wir es tun.
54:13 - Seewolf: Da kommen wir auch so ein bisschen zum nächsten Thema,
wo wir, wo man leider auch ein bisschen Feindbilder baut. Klimakrise, da hat

uns auch eine Frage erreicht. Und zwar, ich würde ihn gerne fragen, aber
angesichts der Herausforderungen der Klimakrise, die ja zumindest bei uns im
Subreddit jetzt auch nicht abgestritten wird, ob Sie da optimistisch oder

pessimistisch in die Zukunft blicken und warum?
Yogeshwar: Also ich habe inzwischen einige Enkelkinder, insofern muss ich
schon ein Zweckoptimist sein. Beim Klimawandel glaube ich, sehen wir

allmählich auch bei uns in unseren Breitengraden die Auswirkungen. Das große
Thema Klimawandel ist lange Zeit kein Thema in der, ich sag mal, reichen
westlichen Welt gewesen. Warum? Weil die Hauptbetroffenen eher auf dem

afrikanischen Kontinent saßen oder auf bestimmten Inseln saßen, wie zum
Beispiel den Seychellen, die irgendwann aufgrund des steigenden
Meeresspiegels nicht mehr bewohnbar sind. Aber inzwischen ist der

Klimawandel, wenn man so will, auch bei uns in gewissen Sichtbarkeit
angekommen. Also ich erinnere an die furchtbare Flutkatastrophe im Ahrtal
oder an den extrem heißen Sommer. Und das war nicht die Ausnahme, sondern

bedauerlicherweise eben eine Verdichtung von diesen extrem heißen
Sommern oder es gibt viele andere Beispiele. Momentan, wenn man sich mal in
der Schweiz, die Ostschweiz anguckt, gibt es kaum Schnee. Also da gibt es

Skiorte, die aufgrund des Klimawandels jetzt so langsam sagen, oh, wir müssen

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uns mal eine Alternative überlegen. Da, glaube ich, kommt er so langsam an.


Und jetzt ist es für uns oder für uns wichtig zu sagen, gut, was machen wir?
Und ich glaube, da geht es darum, nicht nur Technologien zu entwickeln. Und
da ist ja schon einiges passiert. In Deutschland ist der Anteil von alternativer

Stromerzeugung oder erneuerbarer Stromerzeugung in den letzten Jahren
gewachsen und wird noch weiterwachsen. Also grob im vergangenen Jahr
haben wir 50/50 gehabt, also 50 Prozent Strom aus Erneuerbaren übers Jahr

gerechnet. Das ist schon ziemlich gut. Aber da müssen wir besser werden. Aber
was noch vielleicht wichtiger ist bei der gesamten Nachhaltigkeitsthematik ist,
wir müssen anfangen, unsere eigenen Narrative zu hinterfragen. Und das ist

viel schwerer. Wir sind alle aufgewachsen in Gesellschaften, bei denen das
Materielle eine ganz wichtige Rolle spielt, bei denen, ich nehme mal die
Fliegerei, das war was ganz Schickes in meiner Jugend. Und inzwischen merken

wir, das belastet die Umwelt. Und statt, dass wir irgendwann verstehen, hey,
wir müssen andere Incentives schaffen, gehen wir noch so vor - und ich bin das
absolut Katastrophenbeispiel, weil ich wirklich ein Vielflieger bin. Also insofern

bin ich bei Gott nicht ein Heiliger in dieser Diskussion oder in diesem Kontext.
Aber das Absurde ist, wenn ich viel fliege, dann kriege ich auch noch,
sozusagen, werde ich dafür gelobt. Und das ist absurd. Sondern wer viel fliegt,

der müsste irgendwann so ungefähr hören, deine Tickets fangen jetzt an,
richtig teuer zu werden und so weiter. Und das gilt nicht nur da, es gilt auch für
viele andere Bereiche. Das heißt, den Fokus weg vom Materiellen hin zu

vielleicht einem neuen Narrativ. Und das ist gar nicht so einfach. Also ein
neues, auch nachhaltiges Narrativ zu entwickeln, bei dem am Ende das eigene
Glück vielleicht im Vordergrund steht und nicht der Materialismus. Um es mal

so ein bisschen provokant auszudrücken, ich sage immer, wie viel CO2 muss ein
Mensch in die Luft pusten, um glücklich zu sein?
58:18 - Seewolf: Eine letzte Frage dazu quasi. Ich fasse das jetzt mal unter dem

Begriff Jugendbewegung zusammen. Fridays for Future, die quasi Schulstreik
machen oder auch die letzte Generation als ein bisschen extremere
Protestform. Haben Sie das Gefühl, das bewirkt was? So allgemein gesehen. Ich

meine jetzt nicht konkret, was ja auch immer angesprochen wird, sondern
allgemein als Bewegung.
Yogeshwar: Naja, also ich finde, wenn man, wenn ich, ich bin ein alter Sack und

ja, muss man einfach mal ganz klar so benennen und sagen, wenn die
Auswirkungen des Klimawandels, die unbestritten sind, wirklich anfangen
heftig zu werden, lebe ich wahrscheinlich nicht mehr. Das heißt, für mich ist die

Perspektive eine völlig andere als für junge Menschen, die sagen, hey, ich muss
das die nächsten Jahre und Jahrzehnte noch erleben. Oder wenn ich meine
Enkel nehme, die Generation, die heute geboren wird, die wird das nächste

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Jahrhundert erleben. Das heißt, für die wird das, was wir Zukunft nennen, eines
Tages Gegenwart werden. Und wir sind natürlich Meister, wir, ich inklusive,


Meister in einer Verschiebung all dieser Pflichtaufgaben in die Zukunft. Also wir
sagen alle, ja, ja, Wir werden irgendwann CO2 frei, keine Ahnung, im Jahr 2015,
ja, wissend, da bin ich nicht mehr, da gibt es keinen, der dafür verantwortlich

ist. Und ich kann an der Stelle natürlich sehr wohl eine jüngere Generation
verstehen, die einfach aufsteht und sagt, hört mal, das ist im Kern nicht euer
Problem, das ist unser Problem. Und ihr solltet verdammt noch mal an der

Stelle an uns denken und vielleicht an der einen oder anderen Stelle auch Dinge
wirklich verändern. Also das kann ich von daher verstehen. Der entscheidende
Punkt ist, die Lösung liegt in vielen, abertausenden von Details. Und das ist

natürlich nicht ganz einfach. Es gibt nicht so einen Schalter, den man umlegt
und dann ist alles gut. Zudem das Ganze nicht nur lokal, sondern auch eben ein
globales Thema ist.

01:00:00 - Seewolf: Das ist leider gerade so ein bisschen die Situation. Wir
haben den Ukrainekrieg besprochen, wir haben die Klimakrise besprochen. Wir
leben gerade in einer Zeit, die insgesamt sehr unsicher ist in allen Bezügen.

Aber vielen Dank, dass Sie uns ein bisschen Einblick gebracht haben, ein
bisschen versucht haben, die Details auseinanderzuziehen. Und vielen Dank
auch, dass Sie Gast waren bei der Premiere von unserem Reddit Talk.

Yogeshwar: Ich kann mir also jetzt was einbilden und sagen, das war die
Premiere und hohoho.
Seewolf: Ja, wir gucken mal, ob wir Ihnen vielleicht noch eine kleine Urkunde

zuschicken können oder ähnliches.
Yogeshwar: Nein, nein, wir sparen das Papier und verhalten uns damit
nachhaltig. Einverstanden?

Jobax: Zumindest ein PDF sollte drin sein.
Seewolf: Ja, ganz genau.
Yogeshwar: Okay, ja ansonsten einen netten Gruß, was ich natürlich immer

blöd finde, ist, wenn man das über Wande macht, aber ich gucke hier all diese
wunderbaren Avatare, die wie Mäuse aussehen, Teddy Bears oder
irgendwelche Roboter und stelle mir einfach mal vor, hinter jedem von euch

steckt ein Mensch mit all seinen Fragen und gebe nur zurück, ich habe auch
nicht auf alles eine Lösung und das ist auch wichtig, aber wir sollten zusammen
versuchen und dabei positiv und konstruktiv bleiben.

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Seewolf: Das war mein Schlusswort angesichts der ganzen negativen
Gesprächsthemen, die wir zum Teil auch hatten. Ansonsten vielen herzlichen


Dank dafür.
Yogeshwar: Was mich gewundert hat, will ich nur nochmal sagen, ganz kurz,
ich will jetzt nicht… Es gab keine einzige Frage zu KI und ChatGPT und ehrlich

gesagt zeigt vielleicht, dass ich die Community ein bisschen falsch einschätze.
Da dachte ich bei Reddit, da hagelt es jetzt an Fragen. Aber offenbar scheint
das nicht der Fall zu sein.

Seewolf: Ne, weiß ich auch nicht. Fand ich auch interessant, aber hat sich nicht
gestellt. Aber wir beobachten, was Sie sonst noch dazu sagen werden. Und
dann können sich etwaige Fragen vielleicht dann auch noch später klären.

Yogeshwar: Okay. Alles klar. Take care. Alles Gute.
Seewolf: Danke.
Yogeshwar: Ja.

Seewolf: Ja. Tschüss. Tschüss.
Jobax: Tschüss. Vielleicht nochmal als kleine Information für alle, die noch da
sind, der ganze Talk wird demnächst noch einmal in transkribierter Form

veröffentlicht werden. Ich kann euch noch nicht sagen, wann das passieren
wird, weil es dann ja auch darauf ankommt, wie schnell das entsprechend
abgeschrieben wird. Aber das wird es in der Form geben. Und zum Nachhören

wird es das auch noch mal geben, sobald wir diesen Talk hier beendet haben.
Seewolf: Genau, wir werden einen unserer Mods irgendwo in den Modbunker
einsperren, damit er das Ganze abtippt, was ja logisch war und wir gesagt

haben. Also das wird dann bei Wasser und Brot wird er das abtippen.
Jobax: Ja, wir hoffen auch, dass es euch einigermaßen gefallen hat, wir die
Fragen vernünftig gestellt haben, ihr Antworten bekommen habt, die euch

dann entsprechend befriedigt haben oder auch nicht. Wir hatten jetzt am Ende
nochmal ein paar kritische Themen, aber dazu wurde zumindest im Chat auch
entsprechend etwas kommentiert, dass das jetzt auch nicht unbedingt unsere

Ansichten sind oder wahrscheinlich auch nicht die Ansichten, die im Sub in der
Form vertreten werden, aber man muss ja auch in gewissen Bereichen
manchmal etwas andere Stimmen hören und ich denke mal, wir wissen alle,

was wir persönlich davon halten und dann kann sich da jeder sein eigenes Bild
dazu machen.

21 / 22

Seewolf: Genau. Vielen Dank, dass ihr zugehört habt und dass es doch so viele
geworden sind. Das ist Wahnsinn. Alles klar. Wir werden den Reddit Talk jetzt
beenden und habt noch einen schönen Abend.


Jobax: Auf Wiedersehen. Man sieht sich auf r/de. Tschüss.
Seewolf: Genau. Keine Regeln brechen, bitte. Tschüss.

22 / 22

 

 

 

 

Tobias Goldberg

Tobias Goldberg ist ein Autor, der in Duisburg geboren wurde und am 13. Juni 1982 das Licht der Welt erblickte. Als leidenschaftlicher Informatiker und Umweltschützer verbindet er seine beiden Interessen auf einzigartige Weise in seiner Arbeit.

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