Berlin (dpa) – Niederlechner junior war furchtbar langweilig. „Papaaaa“, klagte der Sohn von Hertha-Stürmer Florian Niederlechner über das für ihn zu lange Interview in den Katakomben des Berliner Olympiastadions und griff fest nach der Hand seines Vaters. Niederlechner sen. beantwortete schnell ein paar Fragen und wünschte dann allen höflich ein schönes Wochenende.
Alle um uns herum und Niederlechner selbst wussten, dass dies ein sehr schönes Wochenende für Hertha hätte werden können. Wäre da nicht ein glücklicher Schuss von Ludovic Ajorque (57. Minute) für den FSV Mainz 05 zum 1:1 gewesen. „Es ist bitter, dass wir das Spiel nicht gewonnen haben“, sagte Niederlechner, der im siebten Spiel für die Hertha kein Tor erzielte, aber zusammen mit Jessica Ngankama (18.) die Berliner mächtig unter Druck setzte.
Hertha-Trainer Sandro Schwarz nannte die verpasste Siegchance „ärgerlich“. Dennoch sprach er von einem intakten „Grundvertrauen“ in seine Mannschaft. Im Kampf ums Überleben spielte der Coach lange diese psychologische Karte, redete immer heftig über seine Mannschaft. Nach einem guten Spiel gegen seinen Ex-Klub, mit Ausnahme des 20-Minuten-Ausgleichs für Mainz, hatte er sogar einen guten Grund dafür.
Ein dritter Heimsieg in Folge würde perfekt zur neuen Aufbruchsstimmung in Berlin passen. Wenige Stunden vor dem Spiel kündigte Hertha die Zusammenarbeit mit dem neuen Investor 777 Partners an. Die Amerikaner lösen den umstrittenen Geschäftsmann Lars Windhorst als Finanzier ab. Medienberichten zufolge sollen bald neue Millionen losgehen. Lizenztechnisch könnte das für Hertha essentiell werden. Am Montag wollen sich der Klub und der neue Partner näher zu dem nach mehrwöchigen Verhandlungen geschlossenen Deal äußern.
Drei Punkte wären Schwarz wichtiger als die Nachrichten aus Herthas Büro. Mit 21 Punkten blieben die Berliner im akut gefährdeten Tabellenbereich. In Anspielung auf den neuen Partner 777 könnten Humoristen hinzufügen, dass die Summe im Namen mindestens identisch mit der aktuell erreichten Punktzahl ist.
Nach einem großen Aufschwung braucht Mainz, das diesmal mit einem Punkt gut bediente, keine Zahlenspiele. An das obere Tabellendrittel der Bundesliga kam man aber nicht heran. Trainer Bo Svensson wollte nichts beschönigen, nachdem er seine Siegesserie von vier Spielen beendet hatte. Die erste Halbzeit war „schlecht“. Er nimmt gerne einen „Glückspunkt“ mit. Über die eigene Leistung müsse man aber „kritisch sprechen“.
Hut ab, dass man so viel an Rheinhessen denkt, könnte man meinen. Mainz hatte allen Grund, das Tor als Vorwand zu nehmen. Für alle Skeptiker des Videobeweises werden Argumente vorgebracht. Bei Flanke von Lucas Tousart (15.) berührte der Ball offenbar die Hand von Leandro Barreiro am ausgestreckten Arm. Schiedsrichter Sören Storks hat das Video gesehen. Schiedsrichter Benjamin Curtus überprüfte die Szene am Bildschirm und entschied auf Elfmeter.
„Wie viel Zeit haben wir?“, antwortete Svensson auf die Frage, was er von der Pfeife halte. „Es ist ein Thema, das uns immer verfolgt, sehr problematisch, kein Kommentar“. Das war es für Svenssons Analyse. Sinner Barreiro meinte kurz zur Schiedsrichter-Entscheidung: „Absoluter Quatsch“.
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