Berlin (dpa) – Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft versammeln sich heute in Berlin zum „Bildungsgipfel“. Unter diesem Namen haben sich die Semafor-Parteien in einem Koalitionsvertrag auf ein Treffen geeinigt. Die Tagung soll sich mit den grundsätzlichen Problemen der Bildungspolitik befassen. Allerdings wurde die Veranstaltung bereits im Vorfeld kritisiert. Nicht nur, dass sich die Oppositionspolitiker nicht viel davon versprechen.
Bei dem Gipfel soll es laut Koalitionsvertrag um „eine neue Kultur der Bildungskooperation“ und eine engere Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen gehen. Die Verbesserung des Bildungssystems in Deutschland ist aufgrund unterschiedlicher Zuständigkeiten oft nur schwer zu erreichen. Probleme gibt es genug – vom Dauerproblem mit dem Lehrermangel über den Leistungsrückgang bei Grundschülern bis hin zu Abbrecherquoten.
Bildungssystem in tiefer Krise
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), die im Auftrag der Bundesregierung an dem Treffen in Berlin teilnimmt, sagte, das deutsche Bildungssystem befinde sich in einer tiefen Krise. Bund, Länder und Kommunen müssen endlich zusammenrücken. „Jetzt müssen wir uns zusammenreißen, schließlich geht es um unsere Kinder und ihre Chancen.“
Unionsländer entsenden nur Staatssekretäre
Zunächst sieht es jedoch nicht nach einem geselligen Beisammensein aus. Die von der SPD geführten Kultusminister der Länder sind auf dem Bildungsgipfel durch den Hamburger Schulsenator Ties Rabe (SPD) vertreten. Die EU-geführten Länder entsenden nur einen Staatssekretär, der laut Programm ebenfalls nicht an der Debatte teilnehmen wird.
Ein Sprecher des Bundesbildungsministeriums sagte der dpa, es sei bedauerlich, dass die Unionsbildungsminister angesichts der Herausforderungen mit ihrem Zeitplan Schwierigkeiten hätten. „Der Bildungsgipfel ist ein Aufruf an alle Beteiligten, die Bildungskrise gemeinsam zu bewältigen. Diese Herkulesaufgabe kann niemand allein bewältigen.“
Ein am Schweif gezäumtes Pferd?
Unionsländer haben sie bisher aufgegeben: Schleswig-Holsteins Kultusministerin Karin Prien (CDU) sprach von einer „Demonstrationsveranstaltung“, die auf ihre Weise nicht geeignet sei, das Problem zu lösen. „Das Bundesbildungsministerium hätte einen solchen Gipfel professionell vorbereiten sollen“, sagte der Vertreter der Kultusminister auf Unionsseite, der hessische Kultusminister Alexander Lorz (CDU), dem Informationsdienst „Table.Media“.
Üblicherweise werden die Papiere schon vor dem Gipfel abgestimmt und die Verhandlungen dann erst zu einem bestimmten Termin abgeschlossen, um dann das Ergebnis bekannt zu geben. Sie wolle, so Ministerin Stark-Watzinger, bewusst den anderen Weg gehen und den Prozess stattdessen mit dem Gipfel beginnen: Es werde eine Arbeitsgruppe aus Bund, Ländern, Kommunen und Experten eingerichtet, um Vorschläge für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern zu erarbeiten und lokalen Behörden. Das Kultusministerium überbrückt „das Pferd am Schwanz“, kritisierte Lorz.
Kritik gibt es auch an der Besetzung des Gipfels: Es verheiße nichts Gutes für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der Konferenz fernzubleiben, sagte der bildungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Thomas Jarzombek (CDU), berichtet dpa.
Skeptische Töne kamen nicht nur von der Union. Berlins Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD), ordentliche Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) und beim Gipfel anwesend, sagte im Vorfeld: „Ich freue mich auf hoffentlich konstruktive Gespräche, aber ich gehe ohne hin Zu viele Erwartungen, zumal ich im Vorfeld keine konkreten Ziele habe, wir haben über KMK und Bundesländer gesprochen.“
Meidinger kritisiert „Kindergarten“
Eine deutliche Kritik an allen Akteuren kam vom Vorsitzenden des Deutschlehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger: „Wenn weder die Mehrheit der Kultusministerien noch der Bundeskanzler selbst eine Präsenz beim Bildungsgipfel für erforderlich halten, dann offenbar auch nicht die Regierungsparteien selbst mit einem koordinierten Einstieg in die Diskussion (…), dann werden die politischen Entscheidungsträger ihrer Verantwortung nicht gerecht“, sagte er der dpa. Das Ausdehnen von Kompetenzen im Vorfeld erinnert eher an Kindergarten als an ernstzunehmende Inhalte Diskussion.
Überschneidungsprobleme im Bildungssystem
Der Handlungsdruck ist hoch, denn die aktuellen Probleme im System verstärken sich gegenseitig: Tests haben einen Leistungsabfall bei Grundschülern ergeben. Hinzu kommen Lernlücken durch den eingeschränkten Schulbetrieb während der Coronazeit. Mehr Lehrkräfte wären gut, um Engpässe zu verringern und Schulabgängern vorzubeugen, die wiederum als Fachkräfte knapp sind.
Doch es wird voraussichtlich noch Jahre an Lehrkräften mangeln, da mehr Personal in den Ruhestand geht als eingestellt wird und gleichzeitig die Zahl der Studierenden wächst. Lehrer werden auch von mehr als 200.000 Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine herausgefordert. Und dazu kommt die Digitalisierung, die auch die Bildung nachhaltig verändern wird.
© dpa-infocom, dpa:230314-99-942960/5